Erschreckend, aber wahr: Die kleine Audio-Research-Phonovorstufe PH5 gibt’s schon seit 2004, bei uns zum Test durfte sie sich aber erst 2009 vorstellen. Und das mit durchschlagendem Erfolg; die Amerikanerin ist mir ausgesprochen angenehm in der Erinnerung geblieben
Mitspieler
Plattenspieler
Simon Yorke S-10 / Aeroarm
Acoustic Solid Machine / SME M2-12
Clearaudio Master Reference / Graham Phantom
Tonabnehmer
MFSL C3.5
Jan Allaerts MC2
Clearaudio Goldfinger
Vorverstärker
MalValve preamp three line
Endverstärker
SymAsym
Vollverstärker
Quad II Classic Integrated
Lautsprecher
Isophon Cassiano
„Mini HB“ nach Klang + Ton
Zubehör
Netzversorgung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Transparent und van den Hul
Phonokabel von Straight Wire und van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Gegenspieler
Phonovorstufen
Burmester 100
AMR PH-77
Klein ist in diesem Zusammenhang natürlich ein relativer Begriff, denn mit seinerzeit 2.500 Euro war die PH5 nur in Relation zur gebotenen Qualität ein Schnäppchen. Zu diesem Kurs gab’s und gibt’s meines Wissens nach keine andere Phonovorstufe, die sich bequem per Taster an den Tonabnehmer anpassen lässt.
Das ist auch beim Nachfolgemodell PH6 noch der Fall. Der Brocken, den es bei dem neuen Gerät zu schlucken gilt, ist der Preis: Mit 3.850 Euro hat sie nämlich einen Preissprung von mal eben über 50 Prozent gemacht, was ich äußerst bedauerlich finde. Äußerlich wurde das Gerät an die dezent modernisierte Audio-Research-Optik angeglichen. Während bei der PH5 noch zwei rechteckige Durchbrüche in der Front das Aussehen bestimmten, ist es jetzt nur noch einer. Die Taster (Kunststoff, eckig), die früher für die Anwahl der diversen Funktionen zuständig waren, wanderten ins Zentrum des Gerätes unter den Durchbruch mit den Signal-Leuchtdioden und mutierten zur Sorte „Metall, rund“. Und dann kullerte mir etwas aus dem Karton entgegen, was meine Laune ob der Preisgestaltung merklich hob: eine Fernbedienung. Die gab’s früher nämlich nur bei der großen PH7, jetzt aber auch beim Einsteigermodell. Da ich derzeit bereits zwei Phonovorstufen in Betrieb habe, bei denen das Abtaster-Setup vom Sessel aus geht, möchte ich dieses Feature auf gar keinen Fall mehr missen. Die PH6 ist eigentlich eine reine MC-Vorstufe. Sie verfügt über eine fixe Verstärkung von 58 Dezibel, ein mit viel Bedacht gewählter Wert: Für die meisten MCs ist das laut genug, lediglich Exoten mit kaum nennenswerter Ausgangsspannung dürften hier im Rauschen untergehen. Für MMs sind’s eigentlich etwa 15 Dezibel zu viel, aber dank ordentlicher Übersteuerungsreserven ist auch das eine denkbare Kombination. Der wie auch immer geartete Abtaster kann mit fünf verschiedenen Impedanzen abgeschlossen werden, zur Wahl stehen 47 Kiloohm, 1000, 500, 200 und 100 Ohm. Das sind Werte, die meiner bescheidenen Meinung nach exakt die Punkte treffen, die man in der Praxis braucht. Man kann sich, wie erwähnt, entweder am Gerät oder per Fernbedienung durchschalten, die mit der Umschaltfunktion betrauten Kleinsignalrelais quittieren den Prozess mit sanftem Klickern. Mit der Fernbedienung lässt sich ansonsten noch der Ausgang stummschalten, Monobetrieb anwählen und das Gerät auf Standby schalten – mehr geht direkt am Gerät auch nicht. Rückseitig findet sich nur das Nötigste: zwei Paar Cinchbuchsen zum Anschluss von Verstärker und Tonabnehmer, eine Erdungsklemme und die Netzeingangsbuchse. Einen harten Netzschalter gibt’s nicht. Wir konstatieren: Funktionen und Anschlussmöglichkeiten sind, von der Fernbedienung abgesehen, mit denen der PH5 identisch. Auch das trotz überschaubaren Materialeinsatzes erfreulich solide Gehäuse ist weitgehend das gleiche wie beim Vorgänger. Nach dem Lösen von mächtig vielen Schrauben dürfen wir uns auf die Suche nach Neuerungen im Inneren machen. Und davon gibt’s reichlich. Was es hingegen nicht mehr gibt: die anerkannt guten roten Widerstände des Nobelherstellers PRP. Die mittlerweile verbauten Typen sehen deutlich gewöhnlicher aus, aber das mag ein Trugschluss sein. Sowohl PH5 als auch PH6 sind Hybridkonstruktionen, wie bei Audio Research seit Langem üblich. Bei der PH6 jedoch gibt’s mehr Halbleitertechnik als beim Vorgänger. Werkelten dort noch vier von Feldeffekttransistoren unterstützte Röhren, gibt es neuerdings nur noch deren zwei. Das muss kein Nachteil sein, zumal hier mittlerweile keine 6922 (eine nahe Verwandte der ECC88), sondern zwei russische „Supertubes“ vom Typ 6H30 arbeiten. Diese zeichnen sich durch exzellente Linearität und mächtig Stromlieferfähigkeit aus, was sie auch in den Topmodellen von Audio Research seit Längerem unter Beweis stellen. Wie genau die Verschaltung aussieht? Weiß ich nicht. Einen Vorteil hat der Einsatz der 6H30 auf jeden Fall: Die Röhren leben doppelt so lange wie die im Vorgänger, und so wird erst nach 4000 Stunden ein Austausch fällig. Die Topologie der Stromversorgung sieht anders aus als früher und wurde den Gegebenheiten der neuen Röhrenbestückung angepasst. Die Rohversorgung übernimmt nach wie vor ein R-Core-Trafo, aber auch der ist ein anderer als bei der PH5. Messtechnisch unterscheiden sich beide Geräte kaum, lediglich bei der Stromaufnahme fordern die beiden 6H30 ihren Tribut: Die PH6 verbraucht mit knapp 50 Watt rund doppelt so viel wie ihr Vorgänger. Nachdem ich der Audio Research ein paar Tage Einspielzeit gegönnt und den 600 Stunden einfordernden Beipackzettel mal wieder grinsend an die Seite gelegt hatte, wurde es ernst. Die Musik lieferte ein Clearaudio Goldfinger, das tat’s anno 2009 beim Test der PH5 auch. Und ohne Frage gibt’s Parallelen zwischen den beiden Geräten, wenn mich die Erinnerung nicht völlig täuscht. Beiden gemeinsam ist eine ungemein sportliche Gangart, die das Geschehen beinahe übergebührlich zu beschleunigen scheint. Tatsächlich habe ich zwischendurch mal die Tellerdrehzahl kontrolliert, nur für den Fall der Fälle. Nix da – sie spielt einfach ungeheuer schnell und agil, die Neue. Einen Punkt gibt es, den sie der PH5 mit ziemlicher Sicherheit voraus hat, und der liegt in den tiefen Lagen des Spektrums begründet: Die PH6 hat bei aller Fähigkeit zur Attacke einen samtigen, ungemein erdigen Bass im Portfolio. Noch mehr als damals tendiere ich dazu, das Goldfinger mit 47 Kiloohm laufen zu lassen; geringere Impedanzen geben dem Sound einen etwas zu runden Charakter. Erst wenn der Bass darf, wie er will – und das tut er in diesem Falle nur bei hochohmigem Abschluss – passt die Balance perfekt. Das Kohlefaser-Miyabi hingegen würde ich so nicht betreiben wollen, die kraftstrotzende japanisch-amerikanische Kooperation will an eine etwas kürzere Leine genommen, sprich: mehr bedämpft werden. Ich lande letztlich bei 500 Ohm. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Das mit der Fernbedienung für die Anpassung ist einen großartige Sache, und man nimmt die Unterschiede „unbeweglich“ im Sessel viel deutlicher wahr, als nach zwischenzeitlichem Aufstehen und Umschalten am Gerät. Das mag ein schwacher Trost dafür sein, dass die PH6 im Preis so deutlich zugelegt hat. Wer die Vorzüge dieses Features allerdings einmal selbst erlebt hat, der denkt vielleicht anders darüber. Und wenn das noch nicht reicht, dann hilft vielleicht dieser wunderschöne Bass.
Fazit
Die beiden „Supertubes“ haben’s offensichtlich in sich und lassen ihr Vorgängermodell in der einzig denkbaren Hinsicht links liegen: beim Bass nämlich. Zählen wir die ungemein praktische Fernbedienung dazu, relativiert sich der deutliche Preissprung etwas.