Sie werden schreiben. Und nicht in jedem der Leserbriefe, die zu diesem Thema kommen werden, werden Komplimente stehen. Trotzdem: Dieses Gerät verdient es, vorgestellt zu werden
Mitspieler
Plattenspieler:
Clearaudio Master Reference/ SME 309
Transrotor Fat Bob/ TW Acustic Raven 10.5
Tonabnehmer:
MFSL C3.5
Benz LP-S
Denon DL-103
Vollverstärker:
Pass INT-30A
Lautsprecher:
Progressive Audio Diablo
Lumen White Artisan
Zubehör:
Netzversorung von Silent Wire
NF-Kabel von Transparent
Phonokabel von Straight Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Pass XP-25
Selbstverständlich könnte ich mir die Sache ungeheuer leicht machen: Eine MDF-Kiste mit ein paar Trafos, zwei Bleiakkus und vier Operationsverstärkern für 17.500 Euro – ich lach mich weg. Da packen wir gar nicht aus, das schicken wir sofort wieder zurück.
Oder vielleicht schreiben wir einen plakativen Verriss, das ist gut fürs Image, der Leser beschwert sich ja sowieso, dass uns die Testgeräte immer zu gut gefallen. Könnten wir tun. Dummerweise aber liegen die Dinge so ganz einfach nicht. Gewiss: Eine Phonovorstufe für so viel Geld, bei der sich der Gegenwert auf den ersten Blick kaum erschließt, die kann doch eigentlich nur dreiste Abzocke sein. Oder? An dieser Stelle kam journalistische Neugier ins Spiel: Das ist so abgedreht, da wollen wir hinter die Kulissen gucken. Und der Fairness halber alle Vorbehalte beiseite schieben und dem Gerät eine faire Chance geben. Audio Consulting ist ein Schweizer Unternehmen, der Firmengründer und Entwickler heißt Serge Schmidlin. Das ist ein im Umgang außerordentlich angenehmer Mensch, der überhaupt keine Geheimniskrämerei um die Bestandteile seiner Geräte macht. Okay, es gibt ein paar Details, bei denen er mich bat, keine Bauanleitung zu verfassen – das kann ich akzeptieren. Wie so oft, rutschte auch Serge Schmidlin eher per Zufall ins Audio-Business; letztlich hat er dafür einen profitablen Management- Posten hat den Nagel gehängt, und das verdient schon mal Respekt. Erfreulicherweise hatte seine bisherige Existenz hinreichende Freiräume geschaffen, um die Entwicklung solch delikater Produkte wie den Silver Rock Phono zu ermöglichen. Äußerlich geht das Ganze in Ordnung. Okay, es ist tatsächlich ein MDF-Gehäuse, aber ein hübsches. In einem sehr dunklen Braun oberflächenbehandelt, ganz leicht scheint die Struktur noch durch, das ist schon edel. An was ich mich allerdings nicht recht gewöhnen kann, das ist der Knopf des Drehschalters. Mit dem man das Ganze in Betrieb nimmt: ein irgendwie viel zu langer heller Holzzylinder. Sieht irgendwie aus wie ein Provisorium, das noch auf den Austausch gegen einen passenden Knopf wartet. Möglichweise allerdings hat dieser Stilbruch System. Mal sehen, vielleicht gewöhnt man sich dran. Anschlussseitig gibt’s keine Überraschungen: Vier Eichmann-Cinchbuchsen für Ein- und Ausgang, dazu zwei Buchsen für die mitgelieferten Netzteile. Diese sollen nun mitnichten das Gerät speisen, sondern nur die eingebauten Akkus laden. Dazu haben sie eine Leuchtdiode zum Anzeigen des Ladezustandes. Das funktioniert in der Praxis völlig problemlos. Besagter Drehschalter hat übrigens drei Stellungen: aus, ein bisschen ein, ein. Die mittlere Position verbindet die Verstärkerschaltung über Widerstände gebremst mit den Akkus; das verhindert größere Ladestromspitzen bei leeren Elkos – die Akkus können erkleckliche Leistungen liefern, was zumindest den Schalter im Lauf der Zeit „grillen“ würde. Schon mal eine gute Idee. Okay, wir trauen uns und werfen einen vorsichtigen Blick unter den Deckel – und entdecken ein HiFi-Universum so weit weg von dem, was wir so kennen, dass man sich hier zunächst orientieren muss. Erst einmal gibt’s Kupfer: Das gesamte Gerät, auch der zusätzlich verstärkte Deckel ist mit Kupferfolie ausgeschlagen. Praktisch lückenlos. Klar, wenn man ein Holzgehäuse um ein hoch verstärkendes Gerät baut – wir reden hier über satte 70 Dezibel – dann muss man sich etwas einfallen lassen, um Störungen draußen zu halten. Und natürlich kamen magnetische Materialien weder hier noch an anderer Stelle infrage, so dass Schmidlin letztlich bei dieser Lösung landete. Die rechte Gehäusehälfte gehört den zwei 12-V-Akkus; die sind reichlich dimensioniert und können das Gerät sicherlich wochenlang versorgen. Vor allem deshalb, weil eine geringe Stromaufnahme zum Konstruktionprinzip gehört – natürlich nicht aus ökologischen, sondern aus klanglichen Gründen. Das ist nicht frei von Sinn: wenig Hitze – wenig Probleme mit driftenden Arbeitspunkten. Das Einzige, was in dem Gerät nach Elektronik aussieht, beschränkt sich auf eine Lochrasterplatine mit vier Chips und ein paar fliegend verdrahtete Bauteile der exotischeren Art. Was sich unter der Platine noch verbirgt, weiß ich nicht genau, so weit wollte ich dem Gerät nicht zuleibe rücken. Dann wären da noch insgesamt sechs in Blech gekapselte Quader, und da steckt ein satter Teil des Aufwandes drin: Zwei handgefertigte Reinsilber-MC-Übertrager, zwei nicht weniger aufwendige Ausgangsübertrager und die Induktivitäten für die Entzerrung. Letzteres stellt eine selten eingesetzte Technik dar, die der Vermeidung von Kondensatoren dient: Man kann ein Entzerrernetzwerk, eine entsprechende Schaltungstopologie vorausgesetzt, auch mit Spulen und Widerständen aufbauen. Qualitäten und Werte sind extrem kritisch an dieser Stelle, deshalb bleibt auch hier nur Handarbeit. Die sechs Induktivitäten sind die Kernstücke des Gerätes, die eigentliche Verstärkung obliegt vier Chips; so wie sie hier eigesetzt werden, sollte man die Anordnung ziemlich ernst nehmen, da steckt reichlich Überlegung hinter. Die einzigen sichtbaren Kondensatoren puffern die Betriebsspannungen auf der Verstärkerplatine; es wundert nicht, dass hier „geschälte“ Exemplare zum Einsatz kommen; für manche Leute steht es außer Zweifel, dass es so besser klingt. So ziemlich jedes größere Bauteil hat übrigens eine Art Stütze aus Holzscheiben und einem Filzplättchen; wenn der Deckel aufs Gerät geschraubt wird, drückt er leicht darauf – das wird wohl der Resonanzminderung dienen. Ob all das den Gegenwert für die 17.500 Euro erklärt? Nicht auf den ersten Blick. Aber ich glaube Serge Schmidlin durchaus, das er nennenswerte Mengen Silber verbaut, ein paar hässlich teure Bauteile einsetzt und, das geht als weitaus größter Posten in die Kalkulation ein, die Fertigung der Spulen und Übertrager dauert ewig. So richtig befriedigend finde ich diese Auskünfte nicht, das will ich nicht verhehlen. Also schrauben wir den Deckel wieder drauf, beenden das Erbsenzählen und lassen das Gerät einfach mal seinen Job machen – vielleicht geht da ja was. Die Nadel des MFSL C3.5 senkt sich in die Rille von „Elizabeth, You Were Born To Play That Part“ von Ryan Adams‘ wunderschönem 2005er-Album „29“, und ich bin – wie soll ich’s nennen – gerührt. Das, was da aus den Buchsen der Silver Rock Phono kommt, das klingt anders als das Übliche. Es ist fragil, aber nicht substanzlos. Es ist ungeheuer klar, aber trotzdem warm. Die Stimme tritt extrem deutlich hervor und hat eine strahlende Aura. Nicht eine, die durch „Zisch-Pling“ oben herum verursacht wird, sondern eine, die aus der Mitte kommt. Die Schweizer Vorstufe und das Kohlefaser-Miyabi lieben sich ohrenfällig heiß und innig. Das ist so aus einem Guss, derart befreit und auf den Punkt, dass mir Serge Schmidlins Ausführungen zu einer rein induktiven Tonabnehmerankopplung plötzlich noch viel logischer erscheinen. Dabei ist die Silver Rock beileibe kein Schönfärber. Irgendwie hat sie nur diese erstaunliche Fähigkeit, Inhalte hervorzuheben und Unwichtiges auch unwichtig erscheinen zu lassen. Wir hören „Winter In America“ auf Gil Scott-Herons „I’m New Here“: Ungeheuer sonorer und eindrücklicher Gesang, völlig schlacken- und ansatzlos wiedergegeben. Die Klavierbegleitung läuft perfekt getrennt davon, ebenso intensiv, aber mit einem völlig anderen Klangfarbenspektrum. Tonalität, Raumabbildung, Feindynamik? Nicht, dass es bei einer so intensiven Wiedergabe wichtig wäre, aber natürlich passen die Formalien. Was noch auffällt, ist ein extrem variabler Bass – ich habe lange versucht, seinen Charakter irgendwie mit einem Attribut zu versehen, das aber irgendwann aufgegeben. Es kommt schlicht drauf an, was auf der Platte ist. Die Phonovorstufe hat dazu einfach keine Meinung. Serge Schmidlin hat bei diesem Gerät das Einzige getan, was er tun konnte, um seinen Kopf aus der durch die Preisgestaltung geknüpfte Schlinge zu ziehen: Er hat eine sensationell gute Phonovorstufe gebaut. Eine, die sich so souverän über die Preisfrage erhebt, dass mir das ganze Brimborium mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis gerade mal ziemlich egal ist.
Fazit
Lassen wir den Preis mal kurz beiseite. Das ist eine Phonovorstufe mit nahezu magischen klanglichen Fähigkeiten, die man einfach mal gehört haben muss.