Denke ich an HiFi aus Italien, dann denke ich auch immer an Walnuss – ein wundervolles Beispiel für den liebevollen Umgang mit Holz findet sich auch in dieser Ausgabe. Die Audia-Flight-Phonovorstufe sieht so gesehen kein bisschen nach Italien aus: Außen wirkt sie ein wenig amerikanisch, innen sehr deutsch – und das meine ich, so seltsam es klingen mag, hundertprozentig als Kompliment
Mitspieler
Plattenspieler:
Clearaudio Innovation
Transrotor Dark Star Reference
Denon DP6000 mit Stax UA7
Tonabnehmer:
Audio Technica AT20SLa
Phase Tech P-3G
Benz ACE L
Van den Hul The Condor
Verstärker:
MalValve Preamp Three und Poweramp Three
Audio Research DSi200
Lautsprecher:
Diapason Karis
K+T Mini Monitor TS
Lumen White
Zubehör:
Netzleiste: PS-Audio
Phonokabel Furutech, Nordost
NF-Kabel: Van den Hul
Lautsprecherkabel: Oehlbach
Racks und Basen: SSC, Empire
Gegenspieler
Phonoverstärker:
Clearaudio Balance+
Restek MRIA+
Trigon Advance
Die Materialwahl für das Gehäuse hat einfach etwas von vielen Geräten jenseits des Atlantiks: Scheinbar meterdicke Aluminiumfronten und blaue Leuchtdioden zur Anzeige des Betriebszustands. Dass die Optik dann doch weitaus weniger rustikal ist als bei den meisten US-Geräten, beweist uns, dass die Audia doch aus einem Land kommt, wo wundervolles Design in jedem Aspekt des Lebens zu finden ist.
Allein die Idee, die typische Audia-Frontplatte mit der asymmetrischen Aussparung auf ein zweiteiliges Gerät zu übertragen, zeigt schon das Händchen der Italiener für Außergewöhnliches – bravo! Die Verarbeitungsqualität ist makellos, aber das muss sie auch sein, denn mit einem Preis von 4.000 Euro liegt die Audia Flight in einer recht ambitionierten Preisklasse. Damit steht sie vor dem Problem, dass sie sich deutlich von der Mittelklasse abheben muss, die ja heutzutage auch schon auf einem unglaublich hohen Niveau spielt, und damit fast schon auf dem Level der absoluten Spitzengeräte. Die Voraussetzungen dazu bringt sie jedenfalls mit: Die aufgeschraubte Phono nötigt selbst dem Testredakteur, der schon in so manchem Gerät herumgeschnüffelt hat, ein anerkennendes Pfeifen ab. Das Innenleben der Audia ist eine derartig makellose Ingenieursleistung, dass selbst der technische Laie nur einen Blick darauf werfen muss und danach sicher sein kann: „Ja, genau so geht es!“ Das separate Netzteil sorgt erst einmal für eine perfekte Abschirmung der eigentlichen Phonostufe vor mechanischen und elektromagnetischen Störeinflüssen. Mit zwei übereinander angeordneten Ringkerntrafos stellt es den insgesamt sechs(!) Netzteilen die benötigten Spannungen zur Verfügung. Dabei ist ein Trafo ausschließlich für die Audiogruppen verantwortlich, der andere für die Steuerung. Die beiden Netzteile für die Phonomodule der Audia Flight befinden sich ebenso hier wie das „Gehirn“ des Geräts. Über Opto-Isolatoren komplett galvanisch vom Hauptgerät getrennt, befindet sich hier der Speicher für den Betriebszustand der Phono und die Kommunikationszentrale für die mögliche Verlinkung mit anderen Audia-Komponenten. Betätigt man einen Schalter auf der Frontplatte der Phonostufe, dann wird als Erstes der Ausgang abgeschaltet, dann die entsprechende Umstellung per Relais im Gerät vorgenommen, bevor es nach ein paar Sekunden wieder ein Signal ausgibt. Der ganze Vorgang wird von einem soliden Klacken begleitet. Die Phonostufe besitzt außerdem eine DC-Offset-Schutzschaltung, die das Gerät ebenfalls stumm schaltet. Im Inneren der Phono FL dominiert wie gesagt die Hand des Ingenieurs. Die von außen versorgten Phonomodule sitzen huckepack auf der Hauptplatine – es gibt die Konfigurationsmöglichkeiten zweimal MC, zweimal MM oder gemischt. Durch die modulare Bauweise kann dies recht einfach auch nachträglich geändert werden. Die Module für MM und MC unterscheiden sich nicht nur im Verstärkungsgrad (40 und 60 Dezibel), sondern sind unter Berücksichtigung der elektrischen Eigenschaften der angeschlossenen Systeme komplett unterschiedlich aufgebaut – mehr lässt sich nicht sagen, da die Phonoschaltung komplett unter einem abschirmenden Gehäuse verschwindet. Laut eigener Aussage verwendet Audia stromgegengekoppelte Verstärkerschaltungen. Die Anpassung an den Tonabnehmer erfolgt mit kleinen Brücken, die von hinten direkt in die Phonomodule gesteckt werden. Acht Widerstandswerte für MC und acht Kapazitäten für MM lassen sich so realisieren. Wem diese Abstufung zu grob ist oder wer einen Idealwert gefunden hat, der kann alternativ oder zusätzlich noch ein Bauteil stecken – eine sehr durchdachte und universelle Lösung. Nach der Eingangstufe erfolgt eine rein passive RIAA-Entzerrung, bevor das Signal in der Ausgangsstufe um 4 Dezibel verstärkt wird. Eine Boost-Funktion hebt die Ausgangsverstärkung noch einmal um 10 Dezibel an, so dass das Eingangssignal um maximal 74 Dezibel verstärkt wird – das reicht für jeden Tonabnehmer dieser Welt! Selbstverständlich gibt Phono die Signale symmetrisch oder unsymmetrisch weiter. Alleine für den Aufbau gibt es mehrere Minuten Sonderapplaus – das Ding ist kostet ja richtig Geld, aber man sollte sich eigentlich zwei davon kaufen: Eine für die Musik und eine zum Angucken und Begrabbeln. Bei allem getriebenen Aufwand: Man sieht der Audia Flight an jeder Leiterbahn ihr No-Nonsense-Konzept an, eine Meisterleistung der Ingenieure – das meinte ich vorhin mit deutsch. In der Pflicht – will heißen im Betrieb – muss man ein kleines bisschen Geduld aufbringen; das blau illuminierte Audia- Symbol blinkt, bis die Phono betriebsbereit ist. Als Tester ist man es gewöhnt, dass bei Phonostufen, je teurer sie werden, der Fokus klar auf dem MC-Betrieb liegt – manche Top-Geräte kennen MM nicht einmal mehr. Das liegt daran, dass sich leider irgendwann in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die Mär etabliert hat, dass alleine MC-Systeme zu herausragenden Leistungen in der Lager seien. Dass es im anderen Lage immer schon Spitzentonabnehmer wie ein Shure V15 in allen seinen Varianten oder die großen Audio-Technica-Systeme gab, hat man geflissentlich ignoriert. Langer Rede kurzer Sinn: Das MM-Modul der Audia Flight Phono ist nicht irgendeine Alibi-MM-Stufe, sondern ein richtiges Sahneteil. Sie nutzt den durch die geringe Verstärkung gewonnenen Störgeräuschabstand aus und generiert eine komplett freigestellte Wiedergabe vor einem tiefschwarzen Hintergrund. Alle Feinheiten, die ein Abtaster aus der Rille holt, gibt sie akkurat wieder, auch die, die bei anderen Phonostufen schon an der Grenze zum Nebengeräuschteppich liegen. Das ist im ersten Moment sogar ein bisschen irritierend, weil das Gehör sich mit einem deutlichen Mehr an Information auseinandersetzen muss, als man dies gewöhnt ist, dann aber folgt dem Staunen der große Spaß und Genuss. Das Beste daran: Dies hat nichts mit einer gemeinhin als analytisch bezeichneten Wiedergabe zu tun, die hektisch alle Details offenlegen möchte. Man sieht vielmehr entspannt auf den großen, majestätisch fließenden Strom der Musik, hat aber gleichzeitig auch jede noch so kleine Welle im Blickfeld. Einen Frequenzbereich in irgendeiner Weise zu bevorzugen, das hat die Audia nicht nötig, genauso wenig eine Dimension. Sie spielt tonal perfekt ausgewogen, in Breite wie Tiefe groß und genau gestaffelt und lässt ansonsten den Tonabnehmer machen. Diesem sei es allerdings angeraten, tonal nichts zu verfälschen und sehr genau justiert zu sein – eine Vorstufe wie die Audia möchte gute Kanaltrennung und -gleichheit und eine möglichst gute Phasenlage. Wenn alles passt, dann atmet sie tief durch und macht eine Räumlichkeit und Dynamik, die ihresgleichen sucht. Mit der Audia habe ich mich über eine Spieldauer von viereinhalb Stunden(!) an einem Stück(!!!) auf den grünen Hügel in Bayreuth entführen lassen, hinein in die jenseitige Magie des Parsifal, und das spätnachts ohne das geringste Zeichen von Ermüdung – muss ich noch mehr über die Qualität einer Phonostufe sagen? Die MC-Sektion kann dieses hohe Niveau in jeder Beziehung halten. Das Nebengeräuschverhalten ist auch bei 74 Dezibel Verstärkung noch so gut, dass auch hier die Nebengeräusche von Platte und Laufwerk der limitierende Faktor sind, nicht der Phonoverstärker. Die heutzutage viel größere Auswahl an MC-Spitzensystemen holt aus der Audia auch eine größere Palette an Charaktereigenschaften heraus. Obwohl – das ist falsch herum formuliert: Die Phono bewahrt die Eigenschaften des angeschlossenen Systems, verstärkt sie um einen bestimmten Faktor und gibt sie ansonsten unverfälscht an die Anlage weiter. So darf ein Benz ACE L knackig-dynamisch abrocken, ein Phase Tech feingeistig schwelgen und ein van den Hul Condor seine unnachahmliche Eleganz entfalten. Zu den charakterlichen Besonderheiten des Tonabnehmers addiert die Audia nur ihre ureigenen Qualitäten: Große, tiefe Ruhe, Übersicht und eine kraftvolle Dynamik und Temperament, die einfach nur hin- und mitreißend sind – die Audia Flight Phono ist in ihrem Herzen eben doch ganz Italienerin.
Fazit
Die Audia Flight Phono ist eine komplett universelle Phonostufe, die sich weitgehend an die eigenen Anforderungen anpassen lässt. Der technische Aufwand und der musikalische Auftritt lassen den aufgerufenen Preis fast schon als Sonderangebot durchgehen.