In einem Genre, das seit einem guten halben Jahrhundert in seinen Eckdaten fest zementiert erscheint, etwas radikal anders zu machen und dabei scheinbar Naturgesetze außer Acht zu lassen, dazu bedarf es schon einer gehörigen Portion von Mut und Genie
Mitspieler
Tonabnehmer:
Denon DL103 103R
Audio Technica AT-OC9 II
Van den Hul The Condor
Nagaoka MP500
Miyajima Shilabe
Plattenspieler:
Oracle Delphi
Luxman PD444
Transrotor Fat Bob Reference
Phonoverstärker:
Bfly Perla La Musica
Quad Twentyfour P
Audio Research Reference 2 SE
PS Audio GCPH
Verstärker:
Lindemann 830 und 858
MalValve Preamp Four und Accustic Arts AMP II
K+H AK240
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
K+T Minimonitor TS
Ascendo C6
Zubehör:
Netzleiste, -kabel: PS-Audio, HMS
Phonokabel WSS, Nordost, Audioquest
NF-Kabel: Van den Hul, Horn Audiophiles
Lautsprecherkabel: Silent Wire
Racks, Basen, Unterstellfüße: SSC, Thixar
Gegenspieler
Tonarme:
Linn Ekos SE
SME V
Clearaudio TT2m
Nichts weniger als den Schrecken aller Tonarm-Freunde und -Sammler habe ich aus dem schlichten, aber ungemein schweren Karton gezogen, den uns Volker Kühn von Blackforest Audio da zugeschickt hat. Offensichtlich ein Tonarm, so ungefähr jedenfalls.
Und dann irgendwie auch wieder nicht – zu viele Dinge waren einfach ganz anders als bei den mechanischen Kunstwerken, an die ich normalerweise meine Tonabnehmer schraube. Ganz ehrlich: Wochenlang bin ich etwas ratlos um das Monument herumgeschlichen, bevor mich die unausweichlich näher kommende Deadline dieser Ausgabe zum Handeln gezwungen hat. Zunächst also einmal die Fakten: Rigid Float heißt der neue Tonarm, der uns via Volker Kühn aus Japan erreicht hat. Er stammt von einer Firma, die sich ViV Laboratories nennt und von einem jungen Japaner namens Koichiro Akimoto gegründet wurde. Das mit dem „jungen Japaner“ erfüllt uns mit Hoffnung, hat man doch in unseren Regionen immer den Eindruck, die gesamte japanische Analogfertigung liegt in den Händen von Männern jenseits der 80 Lenze. Oder ist am Ende nur ein rüstiger 70-jähriger gemeint? Nun, wir wissen es nicht. Was wir aber sehen können, ist das Ergebnis seiner Überlegungen. Wenn wir uns mal ganz unwissend stellen und so tun, als wüssten wir nicht, um was es sich handelt, dann müssen wir in erster Linie einmal zugestehen, dass wir es mit einem Objekt mit exquisiter Verarbeitungs- und Materialqualität zu tun haben. Oftmals leiden ja geniale oder vermeintlich geniale Erfindungen an ihrer Durchführung – nicht so der Rigid Float, der auf einem massiven Kegelstumpf aufbaut – unten ein massiver Messingblock mit einer Führung für einen ebenso mächtigen Stahlzylinder, mit dessen Hilfe der Arm um immerhin 36 Millimeter in der Höhe verstellt werden kann. Der Rigid Float steht entweder auf drei Dämpfungsfüßchen oder dünnen Spikes, mit denen er ganz leicht in die Waagerechte gebracht werden kann. Theoretisch könnte man mit den eingefrästen Gewinden im Sockel auch eine Befestigung auf einer Armbasis realisieren – dies widerspricht aber dem Grundgedanken des Rigid Float, der einfach neben oder auf das Laufwerk gestellt werden soll – was übrigens in manchen Fällen gar nicht so leicht ist – ja nach Zargenform muss man sich dann doch mehr oder weniger abenteuerliche Sockelkonstruktionen einfallen lassen. Hinter dem Namen „Rigid Float“ steckt die ganz spezielle Lagertechnik des Arms. Diese besteht aus zwei Halbschalen, zwischen denen eine hoch viskose Flüssigkeit für Kontakt und gleichzeitig Abstand sorgt – einen direkten Kontakt gibt es nicht. Durch Magnetkraft stabilisiert sich diese vermeintlich wackelige Konstruktion so weit, dass man sich über Kippeln keine Gedanken mehr zu machen braucht. Die Lagerflüssigkeit hält sich übrigens durch beigemengte magnetische Partikel von allein in ihrer Schale, so dass man keinerlei Befürchtung haben muss, auf dem Transportweg Verluste oder eine Riesensauerei zu erleiden. So weit, so gut – das Lager kann ich so ohne Weiteres akzeptieren, vor allem, wenn es mechanisch so sicher und stabil gemacht ist. Durch die hohe Dämpfung der viskosen Masse spielt die effektive Masse des Arms auch keine große Rolle mehr – die Resonanzfrequenz ist so weit bedämpft, dass so gut wie jedes System mit dem Rigid Float zurechtkommen sollte. Wo wir gerade bei Resonanzen sind: Das Armrohr wird mit verschiebbaren O-Ringen am Schwingen gehindert – zumindest werden Längsresonanzen, die ohnehin kaum eine Rolle spielen dürften, aufgebrochen. Und damit wären wir beim Armrohr. Und das ist kurz und gerade. Die kleine verbliebene Hoffnung, dass sich das System in dem Minimal-Headshell verschieben oder gar verdrehen lässt, wird schnell zunichte gemacht. Alles ist komplett anders, als es der Bub in der Analogschule gelernt hat, wo die Forderung nach einem gekröpften Arm mit Überhang und den daraus resultierenden zwei Nullpunkten unausweichlich schien. Dazu der physikalische Fakt, dass der Spurfehlwinkel abseits der Nullpunkte umso kleiner ist, je länger der Arm wird. Koichiro Akimoto widerspricht dem auch gar nicht – er setzt einfach sein Hauptaugenmerk anders: Er argumentiert damit, dass nicht etwa die Spurfehlwinkel für den Löwenanteil der Verzerrungen bei der Abtastung der Rille verantwortlich sind, sondern das dauernd wirkende Wechselspiel von Skatingkraft und Antiskating – zwei Kräfte, die sich über eine Schallplattenseite nur in nicht präzise voraussagbaren Momenten genau aufheben, sonst aber mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung an der Nadel zerren. Dass dies der Mikro-Präzision, die für saubere Abtastung erforderlich ist, nicht gerade dient, kann man sich bildlich vorstellen. Mit einem gerade in Flucht zum Arm montierten Nadelträger gibt es keine Skatingkraft – also kann man sich das ganze Spiel auch sparen, dachte sich Akimoto und fertig war das Konzept des Rigid Float. Mittels einer einfachen rechtwinkligen Vorrichtung justiert man den Arm auf den Nullpunkt, der in etwa auf zwei Dritteln der bespielten Rillenfläche liegt – damit sind die Spurfehlwinkel in der Innenrille und in der Außenrille in etwa gleich. Diese Justage ist natürlich auch deutlich einfacher als bei einer handelsüblichen Tonarmschablone mit zwei Nullpunkten, Kröpfung und Überhang, mal ganz abgesehen vom Unsicherheitsfaktor Nadelschiefstand, der sich mit dem Rigid Float auch einfacher korrigieren lässt. Apropos einfach: Der Betrieb des Arms ist absolut sicher: Man muss ihn nur so weit drehen, dass die Liftbank etwas außerhalb des Tellers beginnt, dann kann man das Armrohr ganz einfach in die Ruheposition schwenken, wo er mithilfe zweier Magnete automatisch fixiert wird. Für die Auflagekrafteinstellung benötigt man etwas Geduld, bis sich der Arm tatsächlich voll auf die Waage abgesenkt hat – das Messing-Gegengewicht wird dann mit einer Kontermutter auf seinem Feingewinde fixiert. Das erste Aufsetzen in der Rille war für mich mit einem noch einmal hochkochenden Schwall von Bedenken verbunden – genau bis zum ersten Ton, der alle Ressentiments beiseitefegte. Aus so einer tiefen Ruhe heraus und mit so viel Kraft habe ich das gute alte Audio Technica AT-OC9, das ich für die Fotos montiert hatte, weil es farblich so gut passte, noch nie gehört. Aus dem immer etwas schlanken, feinsinnigen System war ein echter Kracher geworden, das meine wahrlich nicht schlechten Monitorlautsprecher in Sachen Basswiedergabe an die Grenzen brachte. Nicht schlecht, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch wirklichen Top-Systemen verhilft der Rigid Float zu einer so noch nicht gehörten Qualität – und das bei hoher (Van den Hul The Condor) oder extrem niedriger (Miyajima Shilabe) Compliance. Dem viskos gelagerten Arm ist es egal: Er musiziert offensichtlich so gut wie völlig resonanzbefreit und lässt die Nadeln mit ganz unterschiedlichen Schliffen stoisch ihre Bahn durch die Rille ziehen. Die Kanonenschüsse aus der zeitlich passend erschienenen Wiederauflage der berüchtigten Telarc- 1812-Ouvertüre unter Erich Kunzel habe ich auch mit anderen Tonarmen abgetastet bekommen – kein anderer Arm hat sich optisch so unbeeindruckt gezeigt wie der Rigid Float und kein anderer hat die gewaltige Rillenauslenkung so unmittelbar, direkt und kraftvoll weitergegeben (hier sind mir doch tatsächlich die Tieftöner-Schwingspulen an die Polplatte geschlagen). Und diese energetische Wiedergabe zieht sich durch alle Frequenzbereiche gleichermaßen, so dass sich mit dem Arm von ViV Lab Details heraushören lassen, die man vorher nicht einmal geahnt hat. Dass sich damit auch ein ungemein großer dynamischer Spielraum und eine fantastische räumliche Illusion ergeben, versteht sich fast von selbst. Der kleine Mathematiker und Physiker in mir möchte diese außerordentliche Qualität immer noch vor allem auf die Lagerkonstruktion zurückführen – dem kritischen Hörer ist dies aber herzlich egal, so lange der Tonarm so sensationell gut spielt.
Fazit
Was genau es jetzt ausmacht, kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber dass der Rigid-Float-Arm eine absolute Ausnahmeerscheinung in Sachen analoge Wiedergabe ist, das steht unverrückbar fest.