Kategorie: Tonarme

Einzeltest: Primary Control Reference


Dreh- und Angelpunkt

Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 1
11118

Das war mal ein hartes Brot: Eines dieser extrem scheuen Exemplare der Gattung Tonarm habhaft zu werden hat Jahre gedauert. Manchmal jedoch wird Geduld belohnt

Letztlich hat jede spannende Entwicklung im HiFi-Bereich irgendwann mal als Selbstbauprojekt für den eigenen Bedarf angefangen. Im Falle dieses Tonarms war’s nicht anders. Konstrukteur Bernd Hemmen habe ich vor ein paar Jahren kennengelernt, als er mit einer der zahlreichen verschiedenen Inkarnationen seines Armes bei einer Veranstaltung für Selbermacher auftauchte und fragte, ob er seinen Arm denn mal auf eines der vor Ort vorhandenen Laufwerke montieren dürfe. Natürlich durfte er, denn schon damals machte der außergewöhnlich gestylte Tonarm den Eindruck, dass man ihn unbedingt einmal hören müsse. Für den in Amsterdam ansässigen deutschen Konstrukteur waren das die ersten zaghaften Ambitionen, seine Kreationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 2Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 3Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 4Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 5Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 6Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 7Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 8Tonarme Primary Control Reference im Test, Bild 9
Mittlerweile kann man von einem richtigen Produkt sprechen, aber natürlich keinem, das irgendwo vom Fließband fällt. Jeder „Primary-Control“-Tonarm ist eine Sonderanfertigung, exakt an die Wünsche und Nöte des Kunden, seines Plattenspielers und seines Tonabnehmers angepasst. Nur so erreicht Bernd Hemmen das, was im Namen seines Unternehmens steckt – die volle Kontrolle über alle wesentlichen Parameter des Abtastvorganges. Es gibt derzeit zwei Modelle; wir beschäftigen uns hier mit der großen Ausführung namens „Reference“. Ein solcher Arm entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden, deshalb gibt’s auch keine Preisliste – die Anzahl der Variablen gibt das nicht her. Die preisliche Untergrenze beim Reference liegt um 5.000 Euro, unser Testexemplar würde für 6.500 Euro den Besitzer wechseln. Sicher nichts für den Dual-Dreher vom Flohmarkt, aber ganz bestimmt eine Investition fürs Leben. Es gibt den Arm in den drei gängigen Längen von neun, zehneinhalb und zwölf Zoll. Prinzipiell handelt es sich um eine mit einem stabilisierten Einpunktlager ausgestattete Konstruktion. Optisch wirkt der Arm sehr stimmig und geschlossen, was an seinem besonderen Aufbau liegt. Das Zentrum bildet ein geschlossener Ring. Schon bei der Materialwahl dafür gibt’s eine Vielzahl von Möglichkeiten in Gestalt diverser Metalle, Kunststoffe und Hölzer. Er ist seitlich am Lagerturm befestigt. In dem steckt die Höhenverstellung für die ganze Anordnung, die mit einem großen Drehrad am oberen Ende extrem feinfühlig bewerkstelligt werden kann. Unten im Ring ist der Lagerdorn montiert, der die eine Komponente des Einpunktlagers bildet. Die andere, also die Lagerpfanne steckt im Lagergehäuse, dass über den Dorn gestülpt wird. In diesem Gehäuse passieren noch ein paar interessante Dinge, derer man ohne größere Zerlegungsgarbeiten aber nicht gewahr wird – die haben wir unterlassen. Bernd Hemmen erklärt dazu, dass es eine trickreiche Anordnung gibt, die das Einpunktlager mithilfe einer zusätzlichen Führung stabilisiert. Das ist ganz offensichtlich so, denn in der Praxis benimmt sich der Reference eher wie ein kardanischer Tonarm denn wie ein klassischer Einpunkter – keine Spur vom üblichen Gewackel solcher Konstruktionen. Vorn im Lagergehäuse steckt das eigentliche Tonarmrohr, in unserem Falle eines aus exklusivem Schlangenholz. Auch hier gibt’s natürlich eine große Anzahl von möglichen Materialien. Vorn geht das Armrohr nahtlos in den Steg zur Befestigung des Tonabnehmers über. Jener wird über eine Metallplatte mit einer zentralen Schraube arretiert, wodurch maximale Freiheit bei der Einstellung der Geometrie gegeben ist. In den Steg ist eine ovale Metallhülse eingelassen, damit die Schraube nicht direkt das Holz klemmen muss – es sind die kleinen Details, die bei einem so exklusiven Produkt das Salz in der Suppe ausmachen. Zurück zum Lagergehäuse: Auf dessen Rückseite tritt, nach unten versetzt, ein mit einem sehr feinen Gewinde versehener Metallstab aus, auf den das Gegengewicht geschraubt wird. Durch den „Offset“ liegt der Gewichtsschwerpunkt auf Höhe der Abtastnadel, da wollen wir ihn haben. Antiskating? Gibt es, und zwar ein magnetisches. Dazu gibt‘s im zentralen Ring eine seitliche Gewindebohrung, in der ein Stift mit eingelassenem Neodymmagnet steckt. Ein entsprechendes Gegenstück gibt’s im Lagergehäuse. Schraubt man den Magneten ein Stück heraus, vergrößert man seinen Abstand zum Gegenpart und verringert damit die Skating-Kompensation. Da sich diese über den Drehwinkel des Arms ändert, gilt es bei der Montage des Arms besondere Sorgfalt walten zu lassen. Hier ist es nämlich von besonderer Bedeutung, in welchem Winkel er zum Plattenspieler befestigt ist. Darüber müssen Sie sich aber keine großen Gedanken machen, das tut nämlich der Konstrukteur für Sie: Bernd Hemmen fertigt für jeden Tonarm eine eigene, ganz genau auf Ihr Laufwerk eingeschossene Montageschablone. Dass es eine Einstellschablone und reichlich Zubehör und Werkzeug gibt, versteht sich in diesen Regionen ja sowieso. Bei uns bekam der Primary Control Reference ein ganz besonderes Plätzchen zugewiesen: Er durfte nämlich auf dem luftgelagerten TechDAS Air Force Two Platz nehmen, dem japanischen Superlaufwerk, das wir Ihnen im letzten Heft präsentiert haben. Hier passt der Arm wegen des seitlichen Versatzes knapp, aber Bernd Hemmen hat auch hierfür auf die Schnelle eine Basis hinbekommen: 30 mm Panzerholz mit massivem Messingunterhanggewicht zur zusätzlichen Beruhigung. Das passiert, wenn der Mann „mal eben“ etwas improvisiert. Bernd Hemmen ist, da tun wir uns nicht viel, erklärter Fan der aktuellen großen Lyra-Abtaster. Und schon vorher war klar, dass das Atlas die erste Wahl fürs akustische Kennenlernen des Arms sein würde. Zumal es sich durch eine gewisse Toleranz in Sachen Geometrie und Betriebsparameter auszeichnet, was in der „Kennenlernphase“ für so einen ungewöhnlichen Arm definitiv ein Vorteil ist. Wir beginnen musikalisch mit etwas Atmosphärischem in Gestalt des 1996er-Townes-van-Zandt-Samplers „In Pain“. Ach ja. Bei „Loretta“, einer schön trockenen Live-Einspielung, die den Künstler leider schon deutlich jenseits seines Zenits zeigt, fällt bereits ein Händchen fürs Feine auf: Primary Control und Atlas zelebrieren den Hall der Kontzerthalle förmlich. Die Stimme ist ohnehin mit künstlichem Hall versetzt, die akustische Gitarre aber produziert auch ein wenig davon – das kannte ich so noch gar nicht. Tonale Auffälligkeiten kann ich noch nicht feststellen, grobdynamisch herrscht noch eine gewisse Zurückhaltung. Die werde ich zunächst auch nicht los. Des Rätsels Lösung: das Anzugsdrehmoment zweier Schrauben. Sowohl bei der, die die Systemträgerplatte ans Ende des Arms koppelt als auch bei der, die die Armbasis mit der Panzerholzplatte verbindet. Hier war‘s zu wenig. Bernd Hemmen riet mir zu einer gewissen Zurückhaltung in dieser Hinsicht und er hatte recht damit: Dreht man zu fest, verliert das Gebotene ein wenig Luft und Spielfreude. Es wird enger, gestresster. Die Wahrheit liegt mal wieder in der Mitte. Es spricht für den Arm, dass er diese Dinge, die in ihrer Ausprägung nicht eben gewaltige Dimensionen annehmen, problemlos hörbar macht. Wir legen London Grammar auf, und „If You Wait“ überzeugt uns kurz und schmerzlos davon, dass Druck und Kontur in den tiefen Lagen genau so sind, wie wir das wollen. Das Lyra spielt groß, dreidimensional und mit der ihm eigenen unglaublich mitreißenden Art. Was hier vielleicht noch ein wenig überzeugender gerät als sonst, ist das mit den ganz feinen Dingen. Mit dem Mikrokosmos. Mit der Atmosphäre ohne Töne. Der Primary Control Reference hilft beim Eintauchen in die Dinge, er fesselt, er nimmt mit. Bei mir hat er das gründlich getan und ich ziehe den Hut vor dieser von außergewöhnlicher Liebe zum Detail geprägten tollen Konstruktion.

Fazit

Physisch wie akustisch eine Preziose sondergleichen. Tonal von vorbildlicher Linearität, dynamisch nicht zu beeindrucken, mit einem ausgeprägten Händchen fürs Feinstoffliche.

Kategorie: Tonarme

Produkt: Primary Control Reference

Preis: um 5000 Euro

7/2015

Physisch wie akustisch eine Preziose sondergleichen. Tonal von vorbildlicher Linearität, dynamisch nicht zu beeindrucken

Primary Control Reference

Ausstattung & technische Daten 
Kontakt Primary Control, Amsterdam, Holland 
Telefon 0031(0)6 41309423 
Internet www.primarycontrol.nl 
Garantie (in Jahre) lange 
Unterm Strich... » Physisch wie akustisch eine Preziose sondergleichen. Tonal von vorbildlicher Linearität, dynamisch nicht zu beeindrucken, mit einem ausgeprägten Händchen fürs Feinstoffliche. 
Neu im Shop

ePaper Jahres-Archive, z.B. Car & Hifi

ePaper Jahres-Archive, z.B. Car & Hifi
>> mehr erfahren
Holger Barske
Autor Holger Barske
Kontakt E-Mail
Datum 22.07.2015, 10:00 Uhr
488_23522_2
Topthema: Ingenieurskunst in Perfektion
Ingenieurskunst_in_Perfektion_1728396881.jpg
Revelation RX2 PRO – High-End Zweikanalendstufe von Brax

Mit der RX2 PRO kündigt Brax nicht weniger als die Endstufe der Superlative an, vollgepackt mit Innovation und das erste Class-D Design der Marke.

>> Mehr erfahren
kostenloses Probeexemplar Cover Probeexemplar
Jetzt laden (englisch, PDF, 9.28 MB)
kostenloses Probeexemplar Cover Probeexemplar
Jetzt laden (, PDF, 9.25 MB)
kostenloses Probeexemplar Cover Probeexemplar
Jetzt laden (, PDF, 7.33 MB)
kostenloses Probeexemplar Cover Probeexemplar
Jetzt laden (, PDF, 14.78 MB)
kostenloses Probeexemplar Cover Probeexemplar
Jetzt laden (deutsch, PDF, 7 MB)
Interessante Links:
  • www.hausgeraete-test.de
  • www.heimwerker-test.de
  • hifitest.de/shop/
Allgemeine Händlersuche
Landkarte PLZ0 PLZ1 PLZ2 PLZ3 PLZ4 PLZ5 PLZ6 PLZ7 PLZ8 PLZ9

Klicken Sie auf Ihre PLZ oder wählen Sie ein Land

Händler des Tages

HiFi Center Liedmann