Jetzt mal ehrlich: Produkte aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz genießen doch auch bei Ihnen automatisch ein bisschen Vorschusslorbeeren
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob / Reed 3p / Lyra Atlas
Clearaudio Master Innovation / TT2 / Goldfinger
Lautsprecher:
Audio Physic Avantera
Klang + Ton Nada
SVS Ultra Bookshelf
Zubehör:
Netzsynthesizer PS Audio P10
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Vorstufen:
MalValve preamp four line
Rogue Audio Ninety-Nine
Endstufen:
Rogue Audio Stereo 90
Phonovorstufen:
MalValve preamp three phono
Es wäre müßig, es abstreiten zu wollen: Wenn’s am Genfer See entsteht, mit einer gewissen Dezenz vermarktet wird und entsprechende Preisschilder trägt, dann erwarte ich alles, aber keine Durchschnittskost. Und wenn ein Produkt dieses Versprechen auf unnachahmliche Art und Weise einlöst, dann ist es dieses hier.
Die Fäden bei darTZeel zieht ein Mann namens Hervé Deletraz. Über den gibt’s allzu viel nicht zu erfahren, was sicherlich für ihn spricht: Der Star ist das Produkt, nicht der Mann dahinter. Gleichwohl hat Monsieur Sorge dafür getragen, dass seine Schöpfungen in Erinnerung bleiben, und dabei reden wir (noch) gar nicht von klanglichen Aspekten. darTZeel – das ist High End der obersten Güteklasse mit einem Schuss Selbstironie. Das beginnt bei der kryptischen Firmierung (die tatsächlich ein Anagramm von „Deletraz“ darstellt), erstreckt sich über die unhandlichen Typenbezeichnungen bis zu weithin sichtbaren Dingen: den Gehäusen. Diese Farbgestaltung. Wer, bitte, traut sich, gebürstetes Aluminium frontseitig satt golden und rundherum dunkelrot zu eloxieren? Neureiche Asiaten und Russen mögen das ja ganz schick finden, aber die abendländische Kultur? Langsam. Der Schock zu Beginn mag gegeben sein, mittlerweile aber bin ich mir sicher, dass das genau so beabsichtigt ist. Und nachdem ich einige Zeit mit den Geräten gelebt habe, gehe ich noch einen Schritt weiter: Diese Verstärker müssen exakt so aussehen. Wer sie anders will, der hat darTZeel nicht verstanden. Ach ja – da gibt’s noch eine schlechte Nachricht: den Preis. Die Vorstufe NHB-18NS kostet rund 27.000 Euro, die Endstufe NHB-108 model one Version B um die 24.000. Und jetzt reden wir nicht mehr darüber, okay? „NHB“, der Beginn der Typenbezeichnung beider Geräte, steht übrigens für „Never Heard Before“, was wohl Deletraztypisch augenzwinkernd die Güteklasse erläutern soll, in der seine Maschinen spielen. Mittlerweile Kultstatus genießt ein kleines Detail an der Vorstufe, nämlich die Beschriftung des Lautstärkestellers: Da steht mitnichten „Volume“, sondern „Pleasure Control“. Das kann ich so unterschreiben. Der Eingangswahlschalter heißt entsprechend „Enjoyment Source“, der Netzschalter (der keiner ist, wie wir noch sehen werden) „Power Nose“. Das ist Schweizer Humor der feinsinnigeren Sorte – sehr schön. Das „NS“ bei der Vorstufe steht übrigens für „No Switch“. Der Hersteller reklamiert für sich, ein Gerät ohne mechanische oder elektronische Schalter im Signalweg gebaut zu haben, sowohl im Eingangsbereich als auch beim Lautstärkesteller. Das ist eine gute Idee, aber sicherlich Definitionssache: Irgendwo muss geschaltet werden und darüber, was im Signalweg liegt und was nicht, kann man sich trefflich streiten. Viel Wert legt Deletraz auf eine störarme Versorgung: Die wird von vier potenten Bleiakkus übernommen, die für satte 23 Kilo Gewicht sorgen, plus ein paar fürs externe Ladeteil. Die Ladeelektronik versieht ihren Dienst unauffällig und hat zwei Betriebsmodi: akkuschonend oder klangoptimiert. Jawohl, bei uns läuft das Gerät in der zweiten Betriebsart. Einer der sechs Eingänge führt zur serienmäßigen Phonovorstufe. Die ist, wie der Rest des Geräts auch, von der kompromisslosen Sorte, was sich bei ihrer Parametrierbarkeit zeigt: Verstärkung und Eingangsimpedanz müssen nämlich vorbestellt werden und sind nicht vom Betreiber änderbar. Die 60 Dezibel unseres Mustergerätes passten ausgezeichnet, die 836 Ohm waren kein Wunschwert, aber benutzbar. Zusätzlich zur verstärkenden Elektronik gibt’s einen Mikrocontroller, der im Verbund mit den beiden winzigen Kippschaltern für Monobetrieb und Muting die Akkubetriebsart umschalten und bei Bedarf die komplette Beleuchtung stilllegen kann. Schaltungstechnisch herrscht bei Monsieur Deletraz eine Vorliebe für breitbandige, gegenkopplungsarme Schaltungen mit ordentlich Ruhestrom vor. Dabei ist es nicht in erster Linie die Schaltung an sich, die seiner Meinung nach den Klang eines Gerätes ausmacht, sondern die Summe einer Vielzahl von konstruktiven Parametern; darTZeel-Verstärker sind Gesamtkunstwerke, die nicht auf technische Details reduzierbar sind. Die Geräterückseite zieren neben reichlich Cinchterminals außerdem ein paar XLR-Verbinder und zahlreiche BNC-Anschlüsse. Diese der Hochfrequenztechnik entliehenen Steckverbinder stecken alles andere elektrisch locker in die Tasche und sind hier hochfrequenzmäßig korrekt mit 50 Ohm abgeschlossen. Dafür braucht’s allerdings eine Quelle, die entsprechende Signale liefern kann. Neben insgesamt fünf Ausgängen gibt’s auch einen Aufnahmeanschluss. In Sachen Anschlussvielfalt herrscht also kein Mangel. Die Endstufe verfügt natürlich ebenfalls über einen BNC-Eingang (neben Cinch- und XLR-Buchsen), der Vertrieb lieferte freundlicherweise gleich ein passendes BNC-Kabel mit. Ich bin bereit zu wetten, dass dort ein sehr „normales“ Antennenkabel eingesetzt wird, und ich empfehle diese Verbindung zwischen den Geräten ausdrücklich. Experimente mit anderen, deutlich teureren Lösungen gingen eher in die falsche Richtung. Zur Endstufe gibt’s deutlich mehr technische Details als zum Vorverstärker. Weitaus spannender als das erstaunlich schlichte, im Handbuch abgedruckte Prinzipschaltbild allerdings ist das „Gesicht“ der Stereoendstufe. Es hat nämlich zwei Augen (das heißt tatsächlich offiziell so) in Gestalt großer, orangefarbener Leuchten. Sie fungieren als Einschaltkontrolle, Signaldetektor und Fehleranzeiger. Sehr charmant und optisch perfekt ins Design eingepasst. Die für ihre Abmessungen bleischwere (30 Kilo) Endstufe verfügt über einen Glasdeckel, der einen Blick auf den strikt in vier Sektionen geteilten Aufbau erlaubt. In den Kammern stecken, spiegelbildlich und kanalsymmetrisch, ein dicker Trafo nebst Schutzschaltungselektronik beziehungsweise eine Batterie Siebelkos mit der Verstärkerplatine. Die kühlt ihre lediglich zwei Leistungstransistoren an seitlichen Alurippen moderaten Ausmaßes; mit einer Leerlaufstromaufnahme von 115 Watt verfügt das Gerät offensichtlich über eine moderate Ruhestromeinstellung. Nur ein Paar Leistungstransistoren? Jawohl, eins von der bipolaren Sorte. Deletraz bevorzugt diese Bauweise, weil er so weitaus einfacher eine hohe obere Grenzfrequenz realisieren kann; das Parallelschalten von Leistungshalbleitern ist diesbezüglich eine kritische Angelegenheit. Trotzdem hat die NHB-108 ordentlich Leistung und liefert 200 Watt an Vier-Ohm-Lasten. Wer niedrigere Impedanzen treiben will – kein Problem: Die Endstufe ist intern umschaltbar und kann dann bis zu 1,5 Ohm hinunter betrieben werden. Das Gerät verfügt über eine spezielle Offsetregelung gegen Gleichspannungen am Ausgang. Interessanterweise gibt der Hersteller unumwunden zu, dass es ohne die Korrektur besser klingt und bietet konsequenterweise die Möglichkeit, diesen Part abzuschalten. Das empfiehlt sich allerdings nur bei einem Stromnetz mit geringen Spannungsschwankungen und einigermaßen stabilen Temperaturverhältnissen im Hörraum. Noch eine Besonderheit: Die NHB-108 hat eine wahrlich brutale Schutzschaltung. Tritt ein ernsthaftes Problem am Ausgang auf, dann schließt ein hochstromfähiger elektronischer Schalter (ein Thyristor) rabiat das Netzteil kurz. Das zerstört die entsprechende Schmelzsicherung sofort und sorgt für sofortiges Ausbleiben jeglicher Ausgangsspannung an den Lautsprecherklemmen. Rabiat, aber effektiv und stilistisch perfekt zu den vielen anderen Besonderheiten dieser Preziosen passend. Erheblich feinere Manieren zeigten die beiden darTZeels im Hörraum. Zunächst bestanden sie einen trivialen Praxistest mit Bravour: Plattenspieler anschließen, Phonoeingang anwählen und aufdrehen. Bis an den Rechtsanschlag (den virtuellen, einen „richtigen“ hat der Pegelsteller nicht). Ex brummt nicht. Gar nicht. Und rauscht ein bisschen. In Sachen Störarmut zählt das zum Besten, was wir je im Hörraum stehen hatten, was die Messtechnik eindeutig untermauert. Das Lyra Atlas will eigentlich ein bisschen weniger Abschlussimpedanz als die, die mir die DarTZeel-Vorstufe bietet, aber auch so machen die Amps vom Genfer See das wunderbare Hamburger Konzert vom Esbjörn Svensson Trio zu einem ergreifenden Erlebnis. Die Einspielung ist derart perfekt, dass man sie leicht mit einer Studioarbeit verwechseln kann. Hier nicht. In jeder Note stecken Raum und Atmosphäre zuhauf. Wir sitzen auf einem exzellenten Platz nicht ganz vorne an der Bühne, aber ein paar Reihen dahinter. Die Dynamik des Flügels ist erschütternd, die Bassläufe tönen kraftvoll, perfekt differenziert und glaubhaft. Wenn man die realistische Vermittlung eines Live-Erlebnisses als höchstes Gut bei der Reproduktion ansieht, dann wird man hier so glücklich werden wie kaum andernorts. Die darTZeels tönen komplett schwere- und ansatzlos. Die Beckenarbeit von Magnus Öström klingt nach Becken. Nicht nach der Aufnahme eines Beckens. Großartig. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Hervé Deletraz 16 Jahre daran geschraubt hat, seinen Verstärkern diese Natürlichkeit beizubringen, dann ist er mit diesem Album erbracht. Wir wechseln das Genre und hören die schwedische Stoner-Band namens „My Brother The Wind“. Das analog eingespielte 2009er-Album „Twilight in the Crystal Cabinet“ ist in erster Linie ein wunderschön entspannter Trip durch ruhigere Fahrwasser. Klang? Ist hier eigentlich nicht so entscheidend. Eigentlich. Denn die Schweizer stellen den Klangteppich derart flächendeckend in den Raum, dass man sich unweigerlich in die Musik fallen lässt. So Dinge wie eine Bassdrum, die genau den richtigen Ton trifft und exakt in dem Maße „fett“ klingt, wie sich das bei solcher Musik gehört, nimmt man eigentlich nur am Rande wahr. All das können die darTZeels ohne Probleme und langwieriges Einspielen. Nach zehn Minuten sind sie voll da. Der angeschlossene Lautsprecher ist ihnen weitgehend egal, ihre einmalige Illusion von Realismus schaffen sie an großen Standboxen genauso wie an kleinen Zweiwegekonstruktionen. Kann HiFi wirklich „echt“ klingen? Vermutlich nicht, aber der Eindruck davon, der hier suggeriert wird, zaubert ein Lächeln aufs Gesicht jedes Zuhörers.
Fazit
Die darTZeels spielen sich in Sekundenschnelle ins Zuhörerherz. Sie sind unkritisch im Umgang und verzaubern mit unvergleichlicher Intensität und Finesse.