Unter Umständen können Sie es nicht mehr hören. Ich lasse ja auch kaum eine Gelegenheit aus, auf die ganz besonderen Eigenheiten des südkoreanischen Herstellers „Silbatone“ einzugehen. Und jetzt wird’s ernst
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob/SME309/ Benz ACE SL
Clearaudio Master Reference/ Clearaudio Universal/MFSL C3.5
Phonovorstufen:
Burmester 100
Joachim Gerhard Prototyp
Endstufen:
DIY EL12N SE
SymAsym
AVM Ovation
Lautsprecher:
Progressive Audio Diablo
Sonics Allegria
Audio Physic Scorpia 25
Zubehör:
Netzversorgung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Transparent und Silent Wire
Phonokabel von Straight Wire und Silent Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Gegenspieler
Vorverstärker
MalValve preamp three line
Vermutlich ist es am besten, wenn ich mich erst einmal pauschal entschuldige. Dafür, dass ich einem Gerät wie dem Silbatone C-100 hier überhaupt ein Forum biete.
Und dafür, dass ich noch nicht einmal genau weiß, was er eigentlich kostet. Und dafür, dass ich Ihnen auch keinen ordnungsgemäßen Deutschlandvertrieb nennen kann. Um diesbezügliche Bedenken aus dem Weg zu räumen: Meinem letzten Informationsstand nach hat das Gerät alle bürokratischen Hürden genommen und ist CE-zertifiziert, ROHS-konform, WEEE-entsorgungssicher und was-weiß-ich- nicht-noch-alles. All das halt, womit der gemeine Brüsseler Bürokrat derzeit recht erfolgreich versucht, das High-End- Metier zu Grabe zu tragen. Der Silbatone C-100 ist ein Vorverstärker mit eingebautem Phonoteil, komplett in Röhrentechnik aufgebaut. Damit endet seine Verwandschaft zu anderen Dingen im diesseitigen Universum aber auch schon. Ihn überhaupt ein Seriengerät zu nennen, dürfte schon eine etwas gewagte Behauptung sein, fest steht aber, dass es mehr als den einen gibt, den ich seit Ende letzten Jahres beherberge. Und das kam so: Beim letzten „European Triode Festival“ an der französischen Kanalküste – das ist eine mehrtägige Veranstaltung für Röhrenfans der härteren Sorte, in erster Linie aus der Selbstbauszene – grinste mich Christof Kraus an und fragte, ob ich den von ihm mitgebrachten Silbatone-Pre nicht vielleicht bis zur High End in diesem Jahr „bespielen“ und vielleicht im Heft ein bisschen was darüber erzählen wollte. Ein halbes Jahr lang die so ziemlich exklusivste Vorstufe der Welt besitzen? Sie können wetten, dass ich wollte. Und wer ist Christof Kraus? Der in Leipzig ansässige Hersteller der wunderbaren „Silvercore“-Übertrager, die uns schon des Öfteren als MC-Übertrager in Verzückung versetzt haben. Und eben daher stammt ein Teil der Induktivitäten, die im C-100 eine wichtige Rolle spielen. Der Reihe nach. Silbatone? Das klingt zunächst einmal nach einem ansatzweise deutschsprachigen Unfall, aber das ist es mitnichten. Es ist eine Abkürzung für „Silver Batteries Tone“ und beinhaltet zumindest zwei der Bestandteile, ohne die nach Ansicht des Herstellers Klang am Limit nicht zu machen ist: Silber und Akkus. Zu Beginn der Silbatone-Historie (das Unternehmen wurde 2001 gegründet) gab es denn auch eine Wahnwitz-Verstärkerkombination, die tatsächlich aus Akkus gespeist wurde – inklusive der 300B-Single-Ended- Endstufen. Das scheint hervorragend funktioniert zu haben, war aber angesichts von über anderthalb Zentnern Akkus ein wenig unpraktisch. Jedenfalls dokumentiert diese Herangehensweise der Herren von Silbatone ans Thema Musikreproduktion eines: absolute Kompromisslosigkeit bis an die Grenze des Machbaren – oder sogar ein Stück darüber hinaus. Die Macher orientieren sich ausnahmslos an historischen Vorbildern und verfügen über eine beeindruckende Sammlung alter Kinoanlagen von Western Electric, RCA, Klangfilm – all jenen Größen, die Meister darin waren, mit sehr wenig Leistung sehr überzeugend Musik, Sprache und andere Geräusche zu reproduzieren. In den Ohren vieler Musikliebhaber war die Zeit zwischen den 30er- und 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts die, in der das ganze Genre seine Blütezeit hatte. Die Ansicht kann man teilen oder nicht; fest steht jedenfalls, dass wir es damals mit einem großen Industriezweig zu tun hatten, der große Stückzahlen fertigte und über Entwicklungsbudgets verfügte, von denen High End-Hersteller heutzutage nicht einmal zu träumen wagen. Die Meriten der alten Tage mit modernen Mitteln zu reproduzieren oder gar überflügeln – das ist die Mission von Silbatone. Sie vermuten ganz richtig, dass die Silbatone-Eigner nicht darauf angewiesen sind, mit dem Unternehmen Geld zu verdienen. Die federführenden Leute verdienen ihr Geld in der Großindustrie und leisten sich die Firma als kostspieliges Hobby. Für die Realisation der neuen Elektronikkomponenten wurde ein Mann angeheuert, der in der Szene kein Unbekannter ist: Der Amerikaner JC Morrison arbeitete lange Jahre für den Röhrenhersteller Electro Harmonix, publizierte in den Szenemagazinen „Sound Practices“ und „Glass Audio“, stand in Diensten von Dick Seqerra, außerdem ist er ein nicht ganz unbekannter Musiker und – Trapezkünstler. Vor allem aber ist er „Gun For Hire“ zur Lösung aller möglichen Probleme in Sachen analoger Schaltungstechnik, und genau davon hat Silbatone Gebrauch gemacht. JC war übrigens auch beim eingangs erwähnten European Triode Festival und hat dort etwas Bemerkenswertes getan: Er hat die durchaus originelle Schaltungstopologie, die er sich für den C-100 ausgedacht hat, in einem Vortrag ausführlich erläutert. Die Intention dahinter war eine erfreulich altruistische: Tragt das Wissen in die Welt, spielt mit der Idee, probiert es aus und macht es zu geistigem Allgemeingut. Damit kein windiger Geschäftsmann daherkommt und sich das Prinzip am Ende patentieren lässt. Gefällt mir, die Einstellung. Rein äußerlich präsentiert sich der C-100 in Gestalt zweier äußerst solider Aluminiumbehausungen, von denen die größere von beiden den Verstärker beherbergt, die kleinere das Netzteil. Beide werden mit zwei dicken, auf beiden Seiten steckbaren Leitungen miteinander verbunden. Zwei sind’s nicht ob der Kanaltrennung, sondern für Hochpegel- und Phonosektion separiert. Allein für den Preis der Steckverbinder dürften andernorts ganze Verstärker gebaut werden. Auffälligste Bedienelemente sind die beiden Drehknöpfe, mit denen kanalgetrennt die Lautstärke eingestellt wird. Das ist zwar nicht superpraktisch, funktioniert im Betrieb aber ganz gut. Das liegt auch daran, dass hinter den Knöpfen keine Potis, sondern 24-polige Schalter sitzen. Mit acht Tastern kann der gewünschte Eingang angewählt werden, es gibt zwei Phonoanschlüsse, vier Line-Eingänge und einen Tape-Anschluss, hinzu gesellt sich ein Mute- Taster. Rückseitig sieht’s folgendermaßen aus: Die beiden Phonoanschlüsse sind unsymmetrisch ausgeführt, zwei Line-Eingänge auch. Weitere zwei Line-Anschlüsse und der Tape-Eingang sind symmetrisch herausgeführt. Den Ausgang gibt’s sowohl via Cinch- als auch XLR-Buchsen, ein Kippschalter wählt die entsprechende Betriebsart. So weit ist das nichts Sensationelles, sondern ein sauberes, praxisgerechtes Ausstattungspaket. Da fehlt eigentlich nur eine Fernbedienung, aber wer sich so eine Preziose anschafft, der will auch regelmäßig aufstehen und seine Investition streicheln. Die Verstärkerschaltung arbeitet mit vier Röhren pro Kanal. Auf eine detaillierte Beschreibung des Schaltungskonzepts möchte ich hier gerne verzichten; wer’s genau wissen will, dem empfehle ich einen Blick ins Internet unter ultra-fi.blogspot.com. Die Verstärkerstufen sind grundsätzlich per Übertrager gekoppelt, und hier steckt ein nicht ganz kleiner Teil des Preises des Gerätes. Hier wurden nämlich größere Mengen Silberlitze auf große amorphe Kerne gewickelt, und in den hier eingesetzten Größenordnungen ist das kein billiges Vergnügen. Das gilt auch für die Lautstärkesteller: Natürlich werden hier nicht schnöde Widerstände geschaltet, sondern Abgriffe eines 24-fach gestuften Übertragers. Die Hochpegelverstärkung übernehmen pro Kanal zwei der teuersten Kleinsignalröhren, die sich überhaupt finden lassen: Doppeltrioden vom Typ 6900 des US-Herstellers Bendix. Dabei handelt es sich um relativ strompotente Kameraden, manchmal werden sie als rauscharme Variante der geläufigeren 5687 bezeichnet. Im Phonozweig ist Rauscharmut besonders wichtig, und deshalb übernimmt die Eingangsverstärkung eine trickreiche Transkonduktanzstufe mit der deutschen „Poströhre“ D3A. Die nachgeschaltete passive Entzerrung kommt natürlich wiederum nicht ohne Spulen aus; neben exakt gematchten Kapazitäten werden hier spezielle Induktivitäten mit Nickelkern eingesetzt. Für deren Herstellung ist ein anderer Spezialist zuständig: Der Amerikaner Dave Slagle von Intact Audio hat sich mit seinen Signaltrafos einen exzellenten Ruf erworben. Hinter der Entzerrung kommt eine holländische 7062 zum Zuge, ebenfalls eine Doppeltriode, die mit der E180CC verwandt sein soll. Am Ausgang des Phonomoduls gibt’s übrigens den einzigen Koppelkondensator im gesamten Gerät. Natürlich sind die MC-tauglichen Phonoeingänge ebenfalls mit Eingangsübertragern versehen; damit ergeben sich Verstärkungen von 57 respektive 66 Dezibel – absolut praxisgerecht. In der Praxis erstaunt erst einmal, dass zumindest im Hochpegelbetrieb praktisch kein Rauschen zu hören ist; den Grund dafür liefert der Labordurchgang mit einem Fremdspannungsabstand von rund 104 Dezibel(A) – absolut sensationell für ein Röhrengerät. In den letzten Monaten habe ich das Gerät mit allen möglichen Quellen und Endverstärkern verbunden. Und in jedem einzelnen Fall war der Silbatone in der Lage, dem Geschehen einen klanglichen Stempel aufzudrücken. Er ist wie kaum ein anderes Gerät dazu geeignet, mit der Mär aufzuräumen, dass eine Vorstufe gefälligst „unhörbar“ sein sollte. Der C-100 ist definitiv hörbar. Nicht, dass er das klangliche Geschehen romantisch verklärt und mit Röhrensound überzuckert – eher das Gegenteil ist der Fall. Das Gerät macht durch eine unglaublich sehnige, schnelle und breitbandige Wiedergabe vor einem absolut schwarzen Hintergrund auf sich aufmerksam. Es beflügelt die Kette mit dramatischer Dynamik, die so locker, frei und unangestrengt wirkt, dass dem Klang jegliche Kompression genommen wird. Dabei tönt es extrem untechnisch und natürlich – gerade das ist es, was Röhren eigentlich leisten sollen. Hier tun sie es in Perfektion. Die Phonozweige des C-100 wollen mit eher niederohmigen Tonabnehmern verbandelt werden. Wieder einmal erwies sich das MFSL C3.5 als perfekter Spielpartner für die trafogekoppelten Eingänge und machten das Verlangen nach einer separaten Phonolösung komplett obsolet. Eine solche Opulenz in Verbindung mit derartiger Transparenz – das gibt’s nicht oft. Fest steht: Das ist eine der ganz wenigen Top-Vorstufen, bei der man nicht mehr darüber diskutieren muss, ob sie denn wirklich richtig gut ist. Die C-100 ist eine Offenbarung. Deshalb gibt’s die schlechte Nachricht auch ganz zum Schluss: mein letzter Kenntnisstand in Sachen Preis bewegt sich in einer Region von 100.000 US-Dollar. Schade eigentlich.
Fazit
Die Silbatone-Vorstufe ist ein klangliches Großereignis – in praktisch jeder Beziehung. Sie spielt so souverän und überzeugend, dass der Preis wenigstens ein bisschen in den Hintergrund tritt.