Als hätte er auf der letzten High End vom Messestand gegenüber meine Gedanken lesen können: Mit der 868 hat Tim de Paravicini exakt die Vorstufe gebaut, die ich mir als Dreh- und Angelpunkt meiner Anlage vorstelle
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob mit Kuzma 4Point und Benz LP
Acoustic Solid Machine mit SME M12 und Phase Tech P-3G
The Funk Firm Vector III mit F.XR und Ortofon OM40 Super
Endverstärker:
Malvalve Poweramp Three
SymAsym nach K+T
Lautsprecher:
Audio Physic Scorpio 25
Tannoy Definition DC8 T
Gegenspieler
Phonoverstärker:
Quad Preamp 24P
Unison Phono One
Linn Uphorik
Vorverstärker:
MalValve Preamp Three
Und wenn ich noch etliche Male über ein Gerät von ihm schreibe, werde ich nicht müde, es zu betonen: Tim de Paravicini hat für Pink Floyd die Tonstudio- Ausrüstung gebaut. Auch wenn ich mir das in meiner kindlichen Begeisterung wahrscheinlich leuchtender ausmale, als es in Wirklichkeit war, so zeigt es doch den technischen Stellenwert des britischen Altmeisters.
Eine neue Röhrenvorstufe mit den Genen der legendären EAR 912 ist es geworden – wobei ich ehrlich gesagt, noch nicht so ganz hinter die Nomenklatur de Paravicinis steige. Wie auch immer: Die 868 ist genau so geworden, wie ich es mir in zahlreichen Überlegungen ausgemalt habe: Erster Punkt: Röhre – kann ich qualitativ jetzt gar nicht abgrenzen, ist mir aber grundsätzlich sehr sympathisch, weil traditionell. Zweiter Punkt: Mit Phonostufe. Ist mir auch lieber als eine separate Lösung, schon um die Anlage übersichtlich zu halten. Wenn die Phonostufe dann auch mit Röhren aufgebaut ist und für MC-Signale Übertrager besitzt, bin ich schon mehr als zufrieden. Dritter Punkt: Vielseitigkeit. Die EAR besitzt eine recht beachtliche Anzahl von Eingängen und vor allem die Möglichkeit, ein- und ausgangsseitig auch per XLR Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Dazu kommt noch eine echte Rekorderschleife, die es mir einfach macht, wenn mich die Gelüste übermannen, die alte Revox-Bandmaschine anzuwerfen. Vierter Punkt: Aussehen. Die EAR lässt sich nicht nur mit den Geräten aus dem eigenen Stall kombinieren, sondern macht auch in meinem privaten, HiFi-Museum eine gute Figur, sprich: Sie sieht absolut klassisch aus, wie eine Vorstufe aussehen soll. Zum Finish: Hier habe ich schon mehr Perfektion gesehen, ich gestehe Tim de Paravicini aber gerne zu, dass ihm seine Schaltungen um Lichtjahre mehr bedeuten als die Optik. Über die beigepackte Plastik- Fernbedienung zur Lautstärkeeinstellung möchte ich an dieser Stelle nur so viel sagen: Sie funktioniert. Im Inneren gibt es eine Menge Eisen, sprich: Transformatoren und Übertrager, so weit das Auge reicht. Wir beginnen am für uns interessantesten Teil der Schaltung, der Phonostufe, die klar von zwei mächtigen Übertragerkapseln dominiert wird. Mit Kontaktbrücken lässt sich der MC-Eingang zwischen 4, 12 und 40 Ohm Eingangsimpedanz umschalten, was Übertragerabgriffen bei 1:30, 1:20 und 1:10 entspricht. Zwei der insgesamt vier verbauten PC88-Doppeltrioden erledigen die Verstärkung des Phonosignals, dazwischen sitzt die RIAA-Entzerrung. Das symmetrische Hochpegelsignal durchläuft einen Übertrager, bevor es wie die unsymmetrischen Signale ebenfalls über zwei PC88 weiter verstärkt wird und schließlich noch einmal über einen dicken Ausgangsübertrager an die nachfolgende(n) Endstufe(n) weitergegeben wird – Anschlussmöglichkeiten gibt es bei zwei symmetrischen und zwei unsymmetrischen Ausgängen genug. Der Ringkerntrafo sitzt in einer abgeschirmten Kammer, zusammen mit der Spannungsversorgung für die Steuerung des Motorpoti, während die Siebung für die Verstärkerschaltung für minimale Verluste mit auf der Hauptplatine untergebracht ist. Ein Schaltplan ist im Manual mit abgedruckt – der Meister selbst scheint aber viel von Work in Progress zu halten: Ich habe im Gerät mindestens eine Siebdrossel gefunden, die im Plan nicht vermerkt ist. Insgesamt zeigt das Konzept eine schöne Mischung aus Einfachheit und Materialeinsatz. Wer partout auf die Phonostufe verzichten möchte, kann den 868 auch als reine Hochpegelvorstufe ordern, dann mit einer natürlich abgespeckten Schaltung und 1.400 Euro günstiger. Ich nehme aber vorweg: Das Geld für die Phonostufe ist gut angelegt. Der EAR 868 braucht nicht lange, um sich warm zu spielen – nach einer halben Stunde steht das Gerät gut im Futter. Kraftvoll und leidenschaftlich dringt Paavo Järvis Beethoven aus den Boxen – mal ehrlich: So emotional habe ich meine kleinen Monitorboxen mit den Thiel-Keramikmembranen noch nicht gehört. Ein kurzer Check, ob diese Pracht mit Opfern einhergeht: Nein, die etwas ungewöhnliche Staffelung und Balance des Orchesters lässt sich sauber nachvollziehen, die Tonalität ist astrein. Vorzüglich lässt es sich auch mit verschiedenen MC-Tonabnehmern spielen – die anpassbaren Übertrager erlauben so gut wie alles und sind außerdem von hervorragender Qualität – so stelle ich mir eine All-in-One-Lösung vor. Der Wechsel auf die Anlage im verlagseigenen Hörraum mit einer kräftigen Krell- Endstufe und großen Standboxen von Tannoy und Audio Physic brachte dann noch einmal mehr Durchschlagskraft im Bass, ohne jeden Kontrollverlust. Ich ziehe für die Beurteilung der Tieftonqualität gerne Orchesterwerke heran – wenn man die Kontrabässe bei Wagner neben der bedrohlichen Stimmung, die sie oft verbreiten, noch klar orten kann, dann macht die Anlage irgendetwas richtig. Und – Sie haben es erraten – die 868 macht eine Menge richtig. Auf diesem Fundament lässt der EAR Solisten freien Lauf. Im Mix bevorzugte Soloinstrumente platziert er exakt so, wie vom Tontechniker vorgesehen – während die Begleiter einen Schritt zurücktreten und im Hintergrund agieren. Das heißt aber nicht, dass sie irgendwo in einem Einheitsbrei verschwinden: Mit der 868 ist es kinderleicht, jede einzelne Stimme zu verfolgen, so trennscharf arbeitet die Vorstufe. Vokalisten können frei durchatmen, man hängt als Hörer förmlich an den Lippen eines Sängers, erlebt das Durchatmen fast schon live mit, bevor die nächste Passage angestimmt wird. Gute Aufnahmen geraten so unversehens an die Grenze zum Live-Konzert – wenn man selbst, die Boxen und vor allem die Nachbarn das mitmachen. Apropos Lautstärke: Ein Phänomen, das ich immer wieder bei mir selbst beobachtet habe: Bei einer sehr gut abgestimmten Anlage, die auch keinerlei verborgenen Fehler aufweist, neige ich dazu, im Verlauf einer längeren Hörprobe die Lautstärke immer weiter aufzudrehen, bis mein soziales Umfeld regulierend eingreift. In diesem Fall waren das die Kollegen, die ich zwar nicht verstehen konnte, deren angestrengtes Gestikulieren mir aber bedeutete, wieder leiser zu drehen. Ihre mitleidig-besorgten Gesichter müssen irgendetwas mit dem glücklich-debilen Grinsen zu tun haben, das sich auf mein Gesicht geschlichen hatte. Ehre, wem Ehre gebührt: Den Abschluss jeder Hörsession mit einem Gerät von Paravicini bestreite ich mit Pink Floyd. Und während Roger Waters auf „Dark Side of The Moon“ im ganz großen Soundgewand wieder einmal alle Stadien einer Psychose durchleidet, notiere ich noch einmal ganz klar: Diese Vorstufe ist es einfach!
Fazit
Umfangreiche Ausstattung, eine brillante Schaltung und ein Klang, der einfach aus dem Vollen schöpft: Mit der 868 ist Altmeister Tim de Paravicini eine Vorstufe gelungen, die zeigt, wie es geht.