Riesige Verstärkerschlachtschiffe haben sie im Lauf der Jahre etliche gebaut. Der jüngste Spross Krell’scher Endstufentechnologie versucht sich mal an einer ganz eigenen Interpretation des „Mini“-Gedankens
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob/ SME309/Benz LP-S
Acoustic Solid Machine/ SME M2-12 / Clearaudio Goldfinger
Phonovorstufen:
Burmester 100
Joachim Gerhard Prototyp
Lautsprecher:
Audio Physic Scorpio
Klang+Ton CT246
Zubehör:
Netzversorgung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von Transparent und Silent Wire
Phonokabel von Straight Wire und Silent Wire
Lautsprecherkabel von Transparent
Gegenspieler
Endverstärker:
SymAsym
AVM Ovation
Natürlich darf eine „richtige“ Krell- Endstufe nicht wirklich klein sein. Das wäre in etwa so, als ob Bugatti ins Kleinwagensegment einsteigen würde. Krell-Verstärker sind der Inbegriff von maximalem Dynamikumfang, den damit verbundenen Leistungsreserven und mehr oder weniger effektiv im Zaume gehaltenen, dem favorisierten Class-A-Betrieb geschuldeten Ruhestromorgien.
Solcherlei Dinge sind nach wie vor das Rückgrat des Krell-Programms, und so eine zweiteilige, pro Kanal 80 Kilogramm schwere „Evolution 1“ bedient das Klischee auch ganz locker. Und jetzt das hier. Ein Verstärker mit einem Frontplattenmaß von 22 mal 15 Zentimetern. Was für Krell so etwas wie ein besseres Vorstufen-Netzteil darstellen sollte. Wenn da nicht die dritte Dimension wäre. Die nämlich hat’s in sich: Die S-275 ist satte 61 Zentimeter tief und fällt damit in normalsterblichen Racks fast hinten runter. Krell argumentiert das ungewöhnliche Format damit, dass zwei nebeneinandergestellte Verstärker dieses Typs dann wieder ein „ganz normales Format“ haben. Dann allerdings ist anstelle von 6.200 Euro für eine S-275 denn auch das Doppelte fällig. Reizvoll indes ist der Gedanke schon, denn die kompakte Silhouette des Gerätes ließe sich auch ganz prima neben einer Lautsprecherbox unterbringen, ohne optisch zu dick aufzutragen. Ob man tatsächlich die beiden Kanäle brücken muss, um aus den angegebenen 275 Watt 550 zu machen (an vier Ohm wären‘s dann gar deren 1100), sei dahingestellt – auch eine einzelne S-275 ist in Sachen Leistungsentfaltung das exakte Gegenteil eines Kindes von Traurigkeit. So ganz tief drin habe ich ja eine andere Vermutung für diese etwas spezielle Art der Sparsamkeit bei Krell: Das ist „Downsizing“ auf hohem Niveau. Eine leichte Korrektur der Sichtweise an die Realitäten des Marktes. Und wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon geahnt hätte, dass es auch eine S-150m gibt, dann hätte ich sehr wahrscheinlich die zum Test bestellt. Das nämlich ist eine nur 8,6 Zentimeter breite Monoendstufe, die immer noch satte 150 Watt an acht Ohm leistet und noch „niedlicher“ ist als die S-275. Aber eine zukünftige Beschäftigung damit ist ja nicht ausgeschlossen. Unser aktuelles Objekt des Interesses ist eine 22 Kilogramm schwere Hochleistungsendstufe. Dabei stecken relativ wenige Kilos im Gehäuse, denn das ist zwar aus Aluminium, aber mal nicht in Panzerplattenstärke ausgeführt, sondern nur so stabil, wie es zur Aufnahme der Komponenten sein muss. Krell sagt: „Digital power supplies sterilize music and rob it of its musical essence.“ Will sagen: „Schaltnetzteile sterilisieren die Musik und rauben ihr ihre musikalische Essenz.“ Harte Worte. Und von entsprechenden Fakten untermauert, denn in der S-275 steckt das exakte Gegenteil in Gestalt eines feisten Ringkerntrafos mit einer Nennbelastbarkeit von 1650 VA. Und dieser Brecher leidet erfreulicherweise nicht unter einem Problem, was viele seiner schon deutlich kleineren Artgenossen haben: Er brummt nicht im Betrieb. Was eindeutig für seine Konstruktion spricht – obwohl er ganz eindeutig in China gefertigt wurde. Und damit dieses Gewichtsproblem nicht die strukturelle Integrität des Gehäuses gefährdet, schraubten die Krell- Mannen schlicht zwei zusätzliche Gehäusefüße unters Gerät – so einfach geht das. Mengen von Energie zur Versorgung der beiden senkrecht im Gerät angeordneten Verstärkermodule werden mithilfe der Netzteilplatine generiert, dabei hilft unter anderem die Kleinigkeit von 18 großformatigen Siebelkos: In Sachen Stromversorgung war man bei Krell noch nie sparsam, und hier schon mal gar nicht. Die beiden Verstärkermodule tragen pro Stück 14 bipolare, besonders lineare Sanken- Leistungstransistoren. Mit einer maximalen Verlustleistung von 80 Watt und einer Strombelastbarkeit von 15 Ampere handelt es sich um eher „zivilisierte“ Typen, aber dafür um solche mit Geschwindigkeit: Das Datenblatt weist eine Transitfrequenz von 50 Megahertz aus, und damit kann man Verstärkerbandbreiten erzielen, wie Krell sie für unabdingbar hält. Ansonsten findet sich auf den Modulen noch eine Menge Fliegendreck – das recht aufwendige Front End mit seiner erklecklichen Zahl von parallel geschalteten Halbleitern lässt sich sinnvoll nur noch mit winzigen SMD-Teilen verwirklichen. Krell spricht von einer symmetrischen stromgegengekoppelten Ansteuerschaltung – das nehmen wir mal so hin. Fest steht jedenfalls, dass in der S-275 alles bis auf die Ausgangsstufe im A-Betrieb läuft. Schrauben wir den Deckel wieder drauf und nehmen die Rückseite unter die Lupe. Wir finden symmetrische und unsymmetrische Eingänge sowie einen Schalter, mit dem sich die Verstärkung um sechs Dezibel variieren lässt. Das ist ein nicht uninteressantes Feature, denn damit lässt sich der systembedingte Pegelunterschied zwischen symmetrischem und unsymmetrischem Anschluss ausgleichen. Neben diesem Schalter sitzt der für den Mono-Brückenbetrieb mit den schon eingangs erwähnten Konsequenzen. Der harte Netzschalter ist ebenfalls auf der Rückseite positioniert, die WBT-Lautsprecherterminals natürlich auch. Für den Netzanschluss reichte ein gewöhnlicher Kaltgeräteverbinder nicht mehr, hier kommt ein spezieller dreipoliger Hochstromtyp zum Einsatz. Per rückseitigem Kippschalter in Startbereitschaft versetzt, erstrahlt ein roter Kranz rund um den Startknopf auf der Front. Lässt man das Biest mit seiner Hilfe von der Leine, ändert sich die Farbe zu – blau, was sonst. Angst muss man vor dem, was jetzt kommt jedoch nicht haben. So „biestig“ ist die Krell nämlich gar nicht, vielmehr benimmt sie sich außerordentlich gesittet. Ein Hochleistungsverstärker ist dann ein guter Vertreter seiner Zunft, wenn er nicht ständig mit Rasierklingen in den Achselhöhlen herumläuft, sprich: wenn er nicht ständig darauf aufmerksam machen muss, dass er ein Hochleistungsverstärker ist. Diese Form von Understatement gelingt der S-275 ganz ausgezeichnet; ihre latente Potenz fällt erst einmal nur dadurch auf, dass sie sich einer überaus weiträumigen und präzisen Raumdarstellung befleißigt. So richtig mit kompakten und fein abgezirkelten Einzelereignissen, felsenfest platziert. Was für Lautsprecher man an so einen Verstärker hängen sollte? Solche, bei der die Endstufe auch „wach“ wird. Ein 96-Dezibel- Horn funktioniert zwar, klingt an der Krell aber erst dann richtig gut, wenn die Nachbarn schon die Polizei gerufen haben. Wir fanden den idealen Kandidaten in der nagelneuen Audio Physic Scorpio, deren acht Tieftöner sich auf den ersten Blick in die S-275 verliebten. Die brannten dann auch ein Feuerwerk von Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit ab; Attacke und Kraft kann die Scorpio mit anderen Verstärkern auch, aber hier scheint sie eine gefühlte halbe Oktave tiefer zu marschieren, auch der Konushochtöner reckt sich scheinbar noch ein bisschen mehr in Richtung Decke. Auch ein so durchhörbarer, aber nicht hitzig-vordergründiger Stimmbereich ist nicht eben das, was ich von dieser Endstufe erwartet habe. Sie macht einfach, von ganz oben bis ganz unten extrem unaufgeregt und stimmig. Das, und vermutlich kommen erst jetzt die erklecklichen Leistungsreserven ins Spiel, ändert sich auch dann nicht, wenn man sich mit dem Pegelsteller in komplett unvernünftigen Regionen bewegt: Mit diesem Verstärker hört man unweigerlich lauter als mit weniger potenten – es tut einfach nicht weh. Dynamik ist natürlich trotzdem im Überfluss vorhanden, aber sie manifestiert sich eher im feinstofflichen Bereich und verleiht der Krell einen flüssigen und präzisen Charakter. Die betont kräftige Note vergangener Krell-Modelle – hier finde ich sie nicht, sie ist vornehmer Souveränität gewichen. Ich nenne das Fortschitt.
Fazit
Krells neue Sparsamkeit hat am Ende einen ganz besonderen Verstärkerspross hervorgebracht, der nur in zweiter Linie mit Power, in erster aber mit erstaunlichen musikalischen Fähigkeiten glänzt.