Wenn es eine passende Gelegenheit gibt, den Begriff „Dinosaurier“ in Zusammenhang mit einem HiFi-Gerät zu gebrauchen, dann hier: Diese Endstufe dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben
Mitspieler
Plattenspieler / Tonarme:
Clearaudio Innovation compact/ Unify
Transrotor Fat Bob/ TW-Acustic Raven 10.5
Tonabnehmer:
Benz LP-S
Clearaudio Talismann 2
Phonovorstufen:
Pass XP-15
Vorverstärker:
MalValve preamp three line
Lautsprecher:
Lumen White Artisan
K+T Prototyp
Zubehör:
Netzversorung von Silent Wire
NF-Kabel von Van den Hul
Phonokabel von Van den Hul
Lautsprecherkabel von Intertechnik
Rack von Creaktiv
Plattenwaschmaschine von Clearaudio
Gegenspieler
Endverstärker:
SymAsym
Convergent Audio Technology – nicht eben der geläufigste Name auf der highendigen Landkarte, zweifellos aber einer der wohlklingendsten. Und das liegt vermutlich auch daran, dass die Produkte aus Rush im Staate New York nicht an jeder Straßenecke herumstehen, sondern sich ihren legendären Ruf via Mundpropaganda im Laufe von mittlerweile über 25 Jahren auf die harte Tour erworben haben.
Firmengründer Ken Stevens hatte zehn Jahre lang – von 1985 bis 1995 – nur ein einziges Produkt im Portfolio, nämlich die Vorstufe SL-1. Sie wird bis zum heutigen Tage gebaut, immer wieder modellgepflegt, die letzte Inkarnation heißt, wenn ich richtig informiert bin, „SL-1 Signature MK II“. Im englischen Sprachraum wird das Gerät ehrfurchtsvoll nur „The Cat“ genannt und gilt als eine der besten Vorstufen überhaupt. Übrigens verfügt sie über ein eigebautes Phonoteil, dem wahre Wunderdinge nachgesagt werden, was eine redaktionelle Beschäftigung in der Zukunft nicht so ganz unwahrscheinlich erscheinen lässt. Convergent Audio Technology ist eine kleine Firma; der Deutschlandvertrieb redet grundsätzlich von „ihm“, meint damit Ken Stevens, und tatsächlich würde es mich gar nicht wundern, wenn der Mann sein Ding weitgehend allein durchziehen würde. Das würde dann vielleicht auch den Umstand erklären, warum das Unternehmen auch im Jahre 2010 keine eigene Webseite betreibt – man kann ja nicht alles selber machen. Jedenfalls würde mich interessieren, wie er, so er denn tatsächlich allein am Werk ist, ein Dickschiff wie seine Stereoendstufe JL-2 Signature MKII überhaupt zusammengebaut und transportiert bekommt. Die Maschine wiegt nämlich stramme 82 Kilogramm und passt beim besten Willen in kein normales Rack; eine Gehäusetiefe von knapp 70 Zentimetern erfordert bei der Unterbringung ein wenig Kreativität. Abgesehen davon ist die Platzierung in einem „Gerätestapel“ auch wenig empfehlenswert: Dieses Tier von einem Verstärker strahlt im günstigsten Falle gut 420 Watt Wärme ab; der Class-A-Betrieb mit 16 Beam-Power-Tetroden vom Typ 6550 fordert in dieser Hinsicht unbarmherzig seinen Tribut. Ihre Befürchtung, dass es solcherlei Kompromisslosigkeit nicht im Tausch gegen ein Butterbrot gibt, ist berechtigt: Derzeit kostet das Gerät bei uns 21.000 Euro. Das Ende der Fahnenstange ist damit übrigens noch nicht erreicht: Es gibt das Ganze auch noch in einer Mono-Ausführung, bei der man dann Platz für zwei dieser Schätzchen freischlagen muss. Ich muss gestehen – ich habe lange kein so „amerikanihsches“ HiFi-Gerät mehr in den Händen gehabt. Eines, dem man sofort ansieht, dass es in unmittelbarer Nähe der Schwerindustrie von Pennsylvania entstanden ist; dort, wo Amerika aus Blut und Schweiß besteht – oder zumindest noch bis vor Kurzem bestand. Die Convergent riecht nach Stahl – und das meine ich durchaus wortwörtlich, daraus besteht sie nämlich auch. Und tatsächlich war beim Einbringen der Verstrebungen auf den großformatigen Blechen ein Schweißgerät am Werk, und das verbreitet einen ganz eigenen Geruch, der immer noch da ist. Zwei gewaltige, T-förmig angeordnete Abdeckhauben beherbergen das bei einer Röhrenendstufe obligatorische Eisen: Unter dem mittleren Deckel sitzen die beiden (vergossenen) Ausgangsübertrager, unter dem hinteren das Netzteil. Letzteres habe ich mich getraut von seiner Verpackug zu befreien und staunte nicht schlecht: Der Natztrafo zählt zu den fettesten Blechpaketen, die mir je untergekommen sind. Und der Sixpack dicker Siebelkos ist auch nichts, was einem bei einer Röhrenendstufe öfter über den Weg läuft. Das Interessante ist, dass all das keineswegs dazu dient, gewaltige Leistungsfl uten loszutreten; die Convergent leistet stattliche, aber nicht außergewöhnliche 100 Watt; Messergebnisse und Herstellerangaben decken sich hier übrigens in erfreulich hohem Maße. Mit vier Pärchen 6550 pro Kanal 100 Watt zu erzeugen, ist eine reichlich luxuriöse Herangehensweise ans Thema Leistungsverstärkung; dafür würde bequem die Hälfte der Glaskolben ausreichen. Jene sind übrigens selektierte Exemplare vom russischen Hersteller Svetlana und genießen in Kennerkreisen einen ausgezeichneten Ruf. Interessant wird diese Art der Überdimensionierung, wenn man sich Betriebsart und Ruhestrom ansieht: Die Röhren arbeiten im Triodenbetrieb in Class-A-Einstellung, und da macht die stattliche Anzahl schon Sinn. Zur Schaltungstechnik kann ich mangels entsprechender Informationen wenig sagen, aber wenn man den verfügbaren Quellen Glauben schenken darf, dann versucht Ken Stevens gar nicht erst, seinen Verstärker mit sensationellen neuen Topologien zu schmücken; das Gerät ist eine Gegentaktendstufe nach alter Väter Sitte mit einer Eingangsstufe der aufwendigeren Art. Jeder Kanal arbeitet mit drei Doppeltrioden vom Typ ECC82, ECC83 und 6922; allesamt aus gutem Hause. Ein paar konstruktive Details der Endstufe sind etwas, sagen wir mal, speziell; zum Beispiel die Anordnung der Anschlussbuchsen. Die einzige, die ordnungsgemäß auf der Rückseite ihren Platz gefunden hat, ist die Netzbuchse. Die Lautsprecherterminals sitzen seitlich neben den Endröhren, womit es sich noch halbwegs kommod leben lässt; bei den Cinch-Eingangsbuchsen weit vorn auf den Seitenwänden allerdings hört der Spaß so langsam auf. Klar, kurze Signalwege, verstehe ich, aber das ist erstens reichlich unpraktisch und sieht zudem echt unvorteilhaft aus. Okay – ein bisschen was Schräges muss wohl sein bei einem Produkt wie diesem. Weit angenehmer nimmt sich da der Umstand aus, dass Ken Stevens den Ruhestromabgleich und die Symmetrieeinstellung der Endstufe recht komfortabel gestaltet hat. Es gibt ein kleines LCD-Anzeigeinstrument und einen Drehschalter mit reichlich vielen Positionen, und damit lassen sich der Ruhestrom jeder Röhre anzeigen, mit dem dazugehörigen Potentiometer im Bedarfsfalle auch korrigieren. Im Geräteinneren herrscht weitgehend Freiverdrahtung vor. Dabei steht die Funktionalität ganz klar vor den ästhetischen Gesichtspunkten, denn eine Augenweide ist das in dieser Form nicht. Zweifellos aber hat Ken Stevens sich viele Gedanken über seine Masse- und Stromversorgungsführung gemacht, denn die diesbezügliche Leitungsführung zeugt von Sachkenntnis. Per notgedrungen seitlich angedockten Cinchkabeln mit unserer MalValve-Vorstufe verbandelt – Ken Stevens hält nicht viel von Symmetrie und legt seine Geräte deshalb ausschließlich konventionell aus – war denn auch akustisch deutlich zu vernehmen, dass die JL-2 MK II Signature ein exemplarisch ruhiger Verstärker ist. Aus den Lautsprechern ist ein leises Rauschen zu vernehmen, aber keine Spur von Brummen oder Sirren, und das ist bei einer Röhrenendstufe dieser Gewichtsklasse mal gar nicht so selbstverständlich. Das, was unmittelbar danach gen Zuhörer katapultiert wird, im Übrigen auch nicht, ganz im Gegenteil. Die Convergent ist einer der ganz seltenen Fälle, wo typische Tugenden der Röhrentechnik in all ihrer Schönheit zu Gehör gebracht werden, ohne im Gegenzug mit einer Latte von Kompromissen leben zu müssen. Die Convergent ist nicht nur eine wunderbar wohlig-warme Charme-Maschine mit einem strahlenden Mittenberiech, der jedes Ereignis zu einem Erlebnis macht, sie ist auch im Bass eine echte Hausnummer: überaus stabil, bestens konturiert, aber nicht mit übermäßiger Härte und staubtrockener Kompromisslosigkeit. Vielmehr lässt sie gerade unten herum Klangfarben fühlbar werden, Differenzierungen zur Gewissheit werden, die sonst völlig in einem simplen Ton verschwinden. Ich kenne vielleicht zwei, drei Verstärker, die das auch in diesem Maß können, aber das war’s dann auch schon. Die Kombination mit dieser Lebendigkeit und Strahlkraft bis ans obere Ende des Spektrums, das ist schon außergewöhnlich. Manchmal hilft viel einfach viel – was kaum ein Verstärker so nachdrücklich beweist wie dieses Schwergewicht.
Fazit
100 Class-A-Röhrenwatt, im Triodenbetrieb erzeugt. Wer das nicht mal selbst gehört hat, der wird kaum glauben, was mit diesem eigentlich ganz simplen Rezept möglich ist: Wie Ken Stevens nachdrücklich beweist, baut man genau so eine der besten Endstufen überhaupt.