Und zwar mal vorwärts, mal rückwärts, mal langsamer, mal schneller. Wie von Geisterhand gesteuert. Ein kleiner Exkurs in die Reinigungsbranche
Mitspieler
Jede Menge alter Platten
Gegenspieler
Plattenwaschmaschine:
Clearaudio Double Matrix Professional
Plattenwaschmaschinen sind was Tolles. Diese Gerätegattung ist so exotisch, dass man mit dem Satz: „Ich habe eine Plattenwaschmaschine im Wohnzimmer stehen“ noch richtig sparsame Blicke, ungläubiges Staunen und dumme Sprüche aus dem Hause: „Ach? Eine Plattenwaschmaschine hast du, aber deine Klamotten wäscht immer noch Mama?“ ernten kann. Mit Plattenspielern geht so was ja nun nicht mehr, die sind ja schon wieder Mainstream. Vinyl bedarf der Pflege. Jede Platte muss von Zeit zu Zeit gründlich gereinigt werden, egal wie pfleglich man sie behandelt. Nagelneue Platten sehen in vielen Fällen auch erst nach einer gründlichen Wäsche nagelneu aus – keine Ahnung, was für Rückstände die Presswerkzeuge immer wieder auf der frisch gebackenen Oberfläche hinterlassen.
Auch sehr beliebt: Viele winzige Papierschnitzel aus dem neuen Innencover, die natürlich elektrostatisch quasi unlösbar mit der Platte verbunden sind. Gar nicht zu reden von der wunderbaren Welt der Gebrauchtplatten. Gepflegte Börsenware geht ja meist noch, aber wer sich hier und da mal auf dem Flohmarkt eindeckt, der entdeckt die spannendsten Ablagerungen auf dem Vinyl. Kurz gesagt: Der Dreck muss weg, und auf die Dauer geht das nicht ohne eine entsprechende Waschmaschine. Davon gibt’s mittlerweile eine ganze Reihe am Markt; der jüngste Beitrag zum Thema stammt aus Hamburg und kommt von „Draabe Analogue Audio Technologies“. Firmengründer Uwe Draabe ist ein umtriebiger Mann mit viel internationaler Erfahrung in der Industrietechnik und seit einiger Zeit auch Besitzer eines Vinyl-Mailorder- Services. Der Bogen vom Plattenversender zur eigenen Waschmaschine ist kein schwierig zu schlagender, und so hat der Mann Nägel mit Köpfen gemacht und eine eigene Maschine auf Kiel gelegt. Sie heißt „Nessie Vinylmaster“, kostet 1.890 Euro und unterscheidet sich auf den ersten Blick nur wenig von diversen Konstruktionen des Mitbewerbs. Der Teufel allerdings steckt wie immer im Detail. Nessie – der Name hat übrigens keinen tiefergehenden Hintergrund und wurde gewählt, weil er leicht zu merken ist und freundlich klingt – gehört zur Gilde der sogenannten Flächenabsauger. Das heißt, dass die Reinigungsflüssigkeit, nachdem sie ihr hoffentlich segensreiches Werk beendet hat, über die ganze Plattenbreite abgesaugt wird. Das geschieht über einen Schlitz in einem Rohr, so dass es eigentlich „Liniensauger“ heißen müsste. Das andere gängige Prinzip ist der „Punktabsauger“, bei dem eine Düse mit einer Art „Tonarm“ über die Platte geführt wird und punktuell absaugt. Das dauert deutlich länger, funktioniert aber auch sehr viel leiser. Nessie sieht fast aus wie ein Plattenspieler. Sie hat einen Teller, auf den die zu reinigende Platte gelegt wird. Über das Label wird ein per Gummilippe abdichtendes Auflagegewicht gestülpt. Dadurch wird verhindert, dass das Label nass wird. Nessie verfügt über zwei schwenkbare Arme, die wechselweise zum Einsatz kommen. Zunächst wird der „Bürstenarm“ über die Platte geschwenkt und leicht heruntergedrückt, womit die Bürste auf der Platte aufliegt. So weit gibt’s das bei anderen Geräten auch, ab jetzt jedoch unterscheidet sich Nessie von anderen Konstruktionen: Als Nächstes drückt man den Knopf, das einzige Bedienelement an der Maschine. Der Teller setzt sich in Bewegung, durch Düsen im Bürstenarm wird vollautomatisch eine sinnvolle Menge Reinigungsflüssigkeit auf die Plattenoberfläche aufgetragen und mit der Bürste auf der Oberfläche verteilt. Der Teller ändert dabei mehrmals die Drehrichtung, das Blinken der Beleuchtung im Taster signalisiert, dass die Automatik das Heft in der Hand hat. Nach ungefähr zwei Minuten hört das Blinken auf und signalisiert damit, dass die Scheibe jetzt langsam sauber sein sollte. Wenn Sie der Maschine glauben, heben Sie den Bürstenarm leicht an und schwenken ihn zurück. Der Teller stoppt, Sie schwenken den Absaugarm über die Platte, drücken ihn leicht auf die Plattenoberfläche. Automatisch setzt sich der Teller in Bewegung und die Absaugturbine startet. Wiederum wechselt der Teller die Drehrichtung, nach rund 30 Sekunden schaltet die Saugturbine ab. Nächste Besonderheit: Der Teller dreht noch ein Stück weiter, bis die Turbine sicher zum Stillstand gekommen ist. Bevor sie das tut, lupfen Sie den Absaugarm an. Dadurch vermeidet man Schmutzränder auf der Platte an der Stelle, wo der Saugarm bei stehender Platte aufliegt. Schwenken den Arm zurück, und die Platte ist fertig gereinigt. Dieses Procedere ist extrem simpel, vermeidet Unsicherheiten ob der Dauer des Wasch- und des Absaugvorgangs, schützt vor Fehldosierungen des Reinigunsgmittels und funktioniert für normal verschmutzte Platten ziemlich gut. Das Besondere an der Automatik ist, dass man sie jederzeit außer Kraft setzen kann (außer bei der Absaugdauer, da hält der Hersteller eine Eingriffsmöglichkeit nicht für sinnvoll) und zum Beispiel die Auftragsdauer der Waschmittelpumpe durch simples Betätigen des Tasters verlängern kann. Das ist zum Beispiel ganz am Anfang eines „Waschtages“ wichtig, wenn noch keine Flüssigkeit im Leitungssystem steht. Nessie funktioniert auch ohne Automatik. Das ist beim Reinigen von Singles oder10"- Platten wichtig, da kann man den Bürstenarm nämlich nicht benutzen. Dann muss man die Waschflüssigkeit mit einer Spritze oder Ähnlichem auftragen und mit einer Handbürste (liegt bei) verteilen. Die Maschine merkt, wenn der Bürstenarm in der Ruheposition steht, der Tellerantrieb und die Absaugung funktionieren dann trotzdem. Diese Art der Steuerung ist clever und man merkt, dass hier eine Menge Zeit und Gehirnschmalz investiert wurden. Sauber macht Nessie nicht mehr und nicht weniger als die Mitbewerberprodukte auch, aber ein bisschen komfortabler. Die Maschine steckt in einem stabilen Acrylgehäuse und ist gut geräuschgedämmt. Der Absaugvorgang stört auch nachts niemanden ernsthaft, der im Nebenraum schläft. Die Drehzahl der Absaugturbine wird übrigens der Lastsituation nachgeführt, auch das ist clever. Probleme mit statischer Aufladung haben die gewaschenen Platten nicht, die antistatische Tellermatte ist über den Mitteldorn geerdet. Probleme im praktischen Betrieb habe ich keine ernsthaften gefunden, die Maschine macht ihren Job ausgezeichnet. Sie schafft auch vor Jahren eingetrocknete Nassabspielflüssigkeit mit drei Automatik- Waschgängen rückstandsfrei, einen besseren Test der Reinigungsleistung gibt’s fast nicht. Für die Entleerung des „Brauchwassertanks“ hat auch Draabe noch keine schönere Lösung gefunden als seine Mitbewerber: Ein Gummischlauch hängt unten aus der Maschine heraus; wenn sich dort Flüsssigkeit sammelt, sollte man den mit einer Klammer verschlossenen Schlauch öffnen und die Rückstände ablassen. Das funktioniert, aber da gibt‘s bestimmt noch was Besseres – da finden Sie doch was, Herr Draabe?
Fazit
Ausgezeichnet funktionierende Waschmaschine mit clever automatisiertem Bedienkonzept. Die Reinigungsleistung ist zudem ohne Fehl und Tadel.