Einzeltest: Wilson Audio Alexia 2
Die Profis
25 Jahre als HiFi-Journalist hat es gebraucht, bis meine erste „professionelle“ Begegnung mit einem Lautsprecher aus Provo, Utah Realität geworden ist. Sie dürfen sicher sein, dass ich kaum einem Testbericht in meiner Laufbahn so entgegengefiebert habe wie diesem hier
Natürlich habe ich schon mal eine Wilson gehört. Auf Messen. Mal besser, mal schlechter, wie das unter Messebedingungen halt so geht. Die wohl beste Darbietung, an die ich mich erinnern kann fand im Rahmen einer CES in Las Vegas irgendwann in den Jahren vor 9/11 statt, dort hatte man ein 5.1-Setup mit Watt / Puppies realisiert, das wirklich umwerfend war. Überhaupt, Watt / Puppy: Diese Kombination aus der pyramidenstumpfförmigen Kompaktbox „Wilson Audio Tiny Tod“ und dem Subwoofer „Puppy“ war die Initialzündung für den sagenhaften Erfolg der Lautsprecherkreationen des David A. Wilson, der seit über 40 Jahren anhält.
Der Gründer und Lenker des Unternehmens verstarb im Jahre 2018, die Geschicke der Firma liegen seitdem in den Händen von Sohnemann Daryl Wilson.Mit dem Modell „Alexia 2“ bewegen wir uns in etwa im Mittelfeld des beeindruckenden Wilson-Audio-Lieferprogramms. Was dem Einen oder anderen in Anbetracht eines Paarpreises von 68000 Euro wie der blanke Hohn vorkommen mag, aber der Erwerb einer Wilson ist auch definitiv nicht als Alternative zu einer 30 Jahre alten Heco von Ebay Kleinanzeigen gedacht. Sie wissen vielleicht, dass wir uns in unserem anderen Leben durchaus professionell mit der Entwicklung von Lautsprechern für unsere Schwesterpublikation Klang + Ton beschäftigen und von daher einen anderen Zugang zu der Materie haben als andere HiFi-Berichterstatter: Wir wissen nämlich, ob in einer Entwicklung Know How jenseits elementarer Grundlagen steckt oder nicht. Und vor dem, was die Amerikaner da abliefern, werfe ich mich in tiefer Bewunderung in den Staub. In diesen Lautsprechern steckt eine erstaunliche Anzahl richtig guter Ideen, ein tiefes Verständnis für die Materie und die konkurrenzlos konsequent durchexerzierte Fähigkeit, aus all dem ein Produkt zu formen, das einen gewaltigen „Haben-will“-Reflex auslöst. So unsinnig das bei jemandem, der seinen Lebensunterhalt aus seinem Monatsgehalt und nicht aus „Besitz“ bestreiten muss auch sein mag.
Die dürren Fakten lauten: Die Wilson Audio Alexia 2 ist eine dreiteilige, 117 Kilogramm schwere und rund 1,35 Meter hohe Dreieinhalbwegebox, in der vier Lautsprecher chassis das musikalische Spektrum wiedergeben. Im Bassabteil sorgen ein zehn und ein acht Zoll großer Tieftöner für die Wiedergabe, darüber übernimmt ein sieben Zoll großer Mitteltöner, für das obere Ende des Spektrums ist ein ein Zoll durchmessender Kalottenhochtöner zuständig. Nett, aber ziemlich unspektakulär für den Preis, nicht wahr? Und es gibt auch keinen Fluxkompensator und keine isolinearen Chips, die dem Klang auf die Sprünge helfen sollen. Und wenn man als Kenner der Materie auf die eingesetzten Treiber schaut, dann manifestiert sich dort zumindest als Basis Wohlbekanntes von skandinavischen und skandinavischstämmigen Zulieferern. Das ist es auch alles noch nicht. Zutaten sind eine Sache, die Kunst, daraus ein Menü zu kreieren eine ganz andere. Erst einmal zum äußeren Erscheinungsbild der Box: Das ist ein großer Lautsprecher und ob die vielflächige Konstruktion als „schön“ durchgeht, das liegt ganz klar im Auge des Betrachters. Fest steht, dass alle Wilson Modelle einer gestalterischen Linie folgen und aus jedem Winkel und jeder Entfernung sofort als solche zu identifizieren sind – eine so konsequentes Corporate Design gibt’s im HiFi-Bereich nicht sehr oft. Zudem gilt es bei der Alexia 2 drei Gehäuse unter einen gemeinsamen Hut zu bringen, die zudem auch noch gegeneinander verschieb- und schwenkbar sein müssen.
In Anbetracht dessen finde ich die Gestaltung dieser Maschine ausgesprochen gelungen. Unsere Testexemplare sind in einem Farbton namens „Obsidian Black“ gehalten. Es gibt unter den 21 standardmäßig angebotenen Farbtönen auch ein noch schwärzeres Schwarz namens „Diamond Black“. Praktisch keine Fläche an dem Gehäuse ist simpel gerade. Wilson Audio hat sehr viel Aufwand in die Konzeption von Behausungen mit exakt definiertem Schwingungsverhalten gesteckt. So ändern sich Wandstärken permanent und natürlich gibt’s im Inneren Verstrebungen an strategischen Stellen. Wilson Audio setzt bei der Gehäuseentwicklung auf ein sündhaft teures Laser-Interferometer, mit dem sich Schwingungen im Nanometerbereich aufdecken lassen. Unter diesem Aspekt werden auch solche Dinge wie der ganz feine „Bergrücken“ auf den Seitenteilen der Bassgehäuse verständlich. Abgesehen davon sieht’s klasse aus, die große Fläche mit einem so dezenten Element zu teilen. Das Gehäusematerial ist ein gut gehütetes Geheimnis des Herstellers. Die aktuelle Variante heißt schlicht „W-Material“. Es handelt sich um ein Kompositmaterial mit ausgezeichneten Dämpfungseigenschaften, deutlich jenseits der üblichen Holzwerkstoffe. Allerdings ist es nur einer von drei Werkstoffen, die hier zum Zuge kommen: Teile des Lautsprechers bestehen aus den nicht minder geheimnisvollen „X“- und „S“-Materialien. Im Umgang mit der Box merkt man davon nicht allzu viel: Zwar besteht die Wilson den berüchtigten „Klopftest“ mit Bravour, das Ganze ist aber akustisch auch nicht vollkommen tot. Wie immer macht’s auch hier die richtige Dosierung aller Eigenschaften.
Eine harte Nuss haben mir die Konstrukteure mit der Bassabteilung zu knacken gegeben: Im Tieftongehäuse stecken zwei Bässe – wohlgemerkt: in einem Gehäuse. Ein Zehnzöller und ein Achtzöller. Das ist extrem ungewöhnlich und sollte nach klassischer Lehrbuchmeinung nicht besonders gut funktionieren, hier tut es das aber spektakulär gut. Ich bin mir nicht sicher, ob beide Tieftöner gleich gefiltert werden, würde es anhand der Messungen aber vermuten. Einen interessanten Trick jedenfalls haben die Entwickler verraten: In Reihe mit dem großen Bass liegt ein Widerstand, der die Parameter des Treibers ändert. Das ist ein Kniff, der zwar Wirkungsgrad kostet, aber das benötigte Gehäusevolumen senkt und von diversen Entwickler-Hochkarätern als gute Idee angesehen wird. Beide Tieftöner arbeiten auf eine gemeinsame Bassreflexöffnung. Klingt banal, ist es aber nicht: In der exakten Positionierung des soliden Metallrohres steckt wieder einmal eine Menge Arbeit. Mittel- und Hochtöner der Alexia 2 lassen sich im Pegel anpassen. Dafür gibt’s hinten auf dem Bassgehäuse ein von einer dicken Plexiglasplatte geschütztes Anschlussfeld. Über massive Terminals lassen sich feinste Metallfolienwiderstände einsetzen, die den Pegelabgleich besorgen. Eine repräsentative Auswahl geeigneter Widerstände gehört natürlich zum Lieferumfang. Das ganze System Wilson Audio lebt von der perfekten Anpassung des Lautsprechers an die jeweilige Hörsituation. Das beginnt mit der Ermittlung der korrekten Position der Lautsprecher im Raum, für die der Hersteller eine genau zu befolgende Prozedur namens „WASP – Wilson Audio Setup Procedure“ erfunden hat. Dafür braucht’s eine zweite Person, die sich, beginnend an den Raumwänden, sprechend langsam in den Raum bewegt. Die Art und Weise, wie sich die Sprachwiedergabe für den Hörer am Hörplatz dabei ändert bestimmt die Bereiche, in denen die Box stehen soll.
Fürs grobe Manövrieren wird die Alexia 2 mit Rollen ausgestattet, anschließen werden Spikes eingeschraubt, die auf luxuriösen „Gleit-Untersetzen“ ein genaues Positionieren der Boxen am Ort des Geschehens ermöglichen. Erst ganz zum Schluss werden diese Untersetzer durch ihre endgültigen Pendants ersetzt. Dabei enorm hilfreich: Der feine selbst gefertigte Wagenheber, den Wilson Audio mitliefert. Wilson-Lautsprecher leben von jeher davon, dass man das Timing der Einzeltreiber zueinander verändert und an die Hörsituation anpassen kann. Dafür sind sowohl das Mittelton- als auch das Hochtongehäuse in der Tiefe verschieb- und im Neigungswinkel verstellbar. Selbstverständlich sollten die Tieftonabteile dafür vorher exakt senkrecht ausgerichtet werden. Für das Schwenken und Verstellen der Mittel- und Hochtoneinheiten gibt’s diverse austauschbare Spikes, die je nach Position einzuschrauben sind. Was man wie einzustellen und zu montieren hat, steht in gleich vier Tabellen im umfangreichen Handbuch. Bei mir beträgt der Hörabstand 3,85 Meter und die Ohrhöhe 90 Zentimeter. Aus diesen Werten ergeben sich die Position des „Upper Array Alignment Blocks“, die darauf zu wählende „Treppenstufe“, die erforderliche Länge des Spikes unter dem Modul und die Position der Hochtönerverriegelung. Hört sich schwieriger an, als es in der Praxis ist. Bis man die ganze Prozedur durch hat, kann gerne mal ein Tag vergehen, aber das ist auch in Ordnung so: Wer in einen so extremen Wandler investiert, der will auch beim Setup schwitzen und sicher sein, alles Menschenmögliche fürs optimale Ergebnis getan zu haben. Natürlich hatten die Alexias ihr erstes Stelldichein im Verlagshörraum. Nur kurz, nur zum mal eben reinhören. Was für mich und unseren Logistik-Micha ein paar schweißtreibende Konsequenzen haben sollte: In diesem Moment nämlich fiel meine Entscheidung, dass die paar hundert Kilogramm Gesamtgewicht in mein heimisches Domizil müssen. Und wenn’s nur für kurze Zeit ist. Das hier, das musste ich mir einfach „richtig“ zu Gemüte führen. Ohne, dass einer der geschätzten Kollegen „mal eben was anderes anstöpseln muss“. Gesagt – getan, und zum Glück ging’s gerade noch ohne Dramen für die Statik meines auch nicht jünger werdenden Körpers ab. Was dann folgte war ein Lernprozess. Einer, den ich in diesem Umfang lange nicht so erwartet hatte. Es begann damit, dass eine meiner absoluten Lieblingskombinationen, nämlich das DS Audio DS-E2 auf Reed 3P und Air Force III, der Basspotenz der Wilson nicht gewachsen war. Entsprechendes Material vorausgesetzt (Ray Brown tat sich hier besonders hervor), quittierte die Wiedergabe bereits ab leicht gehobener Zimmerlautstärke ihren Dienst mit kräftigen Rückkopplungen.
Das ist nun nichts, was man der Arm-/Systemkombi vorwerfen kann, denn irgendwo muss sie ja nun hin, die Resonanzfrequenz des Systems. Und wenn ein Lautsprecher sie anzuregen imstande ist, dann hat das halt entsprechende Konsequenzen. Dieser Lautsprecher, der kann das. Wie nichts, das ich jemals aus einem passiv angesteuerten Zehnzöller erlebt habe. Und zwar nicht im Entferntesten. Und das war alles noch mit der Alexia „im Rohzustand“. Will sagen: Sie standen zwar an der richtigen Stelle, aber das Time-Alignment war noch nicht erledigt und die Pegelanpassung des Mittelhochtonteils auch nicht. Bereits jetzt jedoch war ich begeistert von der mitreißenden Performance des Wandlers – sollte das ganze „Einstellgedöns“ etwa gar nicht so wichtig sein? Doch. Und wie. Der Unterschied zwischen einer „mal eben“-Alexia 2 und einer sorgfältig eingerichteten ist enorm. Im Rohzustand ist das ein angenehmer, beeindruckender Wandler, der den Zuhörer ob seiner Potenz in allen Lagen schnell für sich einnehmen kann. Als ich damit fertig war, hatte ich ein Setup, dass den Zugang zur Musik in einer Tiefe ermöglichte, wie ich das noch nicht erlebt hatte. Die Alexia 2 kann vollkommen schwerelos spielen, sie kann Töne an beliebige Stellen im Raum projizieren und sich selbst akustisch völlig unsichtbar machen. Sie fi ndet jeden noch so tief auf dem Tonträger vergrabenen Ton, leistet sich keine eigene Meinung und bestätigt mir einen Verdacht, den ich schon länger habe: Ein perfekt abgestimmtes Bassreflexsystem schafft die Art von Tieftonwiedergabe, die ich für erstrebenswert halte. Diese Kombination aus Wucht und Tiefgang will ich und wenn’s wie hier perfekt gemacht ist, dann hat das soviel Farbe und Zeichnung, dass keine Wünsche offen bleiben. Für mich jedenfalls wär’s das hier. So richtig.
Fazit
Die Gerüchte sind wahr: Lautsprecher von Wilson Audio zählen zum Besten, was man für Geld und gute Worte kaufen kann. Eine sauber eingestellte Alexia 2 schafft einen unnachahmlichen Spagat zwischen Genuss und Analyse, zwischen Wucht und Wohlsein. Musikhören kann so schön sein.Kategorie: Lautsprecher Stereo
Produkt: Wilson Audio Alexia 2
Preis: um 68000 Euro
Vertrieb | Audio Reference, Hamburg |
Telefon | 040 53320359 |
Internet | audio-reference.de |
Garantie | 2 Jahre |
B x H x T | 387 x 1350 x 580 mm |
Gewicht: | ca. 117 kg |
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