Test High-End-Kompaktlautsprecher · Harwood Acoustics LS3/5A
Die ewige Legende
Es gibt Lautsprecher und dann gibt es noch die LS3/5A. Sie spaltet sowohl ihre Hörer, als auch die, die sie gar nicht kennen. Warum das so ist? Nun, dafür muss man sich vor allem anschauen und natürlich hören, was sie kann und nicht, was sie nicht kann.
Aber was ist denn eine LS3/5A überhaupt? Gehören Sie vielleicht zu den Lesern, die die kleine Schuhschachtel gar nicht kennen? Das macht überhaupt nichts, denn da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse. Die altehrwürdige British Broadcasting Corporation, kurz BBC, brauchte Ende der 60er Jahre einen kleinen Monitor für mobile Abhörsituationen, fand aber kein Modell auf dem freien Markt, das ihren Ansprüchen genügte. Dabei sollte es nur ein sogenannter „Grade II“-Monitor sein, der zum schnellen Abhören gedacht war. Zum kritischen Beurteilen oder gar Abmischen setzte man Grade I-Monitore wie den deutlich größeren LS5/9 ein. Also begann ein jahrelanger, sehr aufwendiger und extrem teurer Entwicklungsprozess im berühmten Kingswood Warren Labor unter der Leitung von Dudley Harwood, dem späteren Gründer von Harbeth.
Ursprünglich als LS3/5 geplant, kam später das „A“ durch eine Veränderung des B110 Tiefmitteltöners von KEF und das dadurch benötigte Redesign zustande. Das „B“ beim B110 steht übrigens für das Membranmaterial Bextren, der Hochtöner hat eine Mylarmembran. 1975 lizensierte die BBC schließlich diverse Firmen mit der Produktion, der Rest ist Audiogeschichte.Meine erste echte Begegnung mit den kleinen Schuhschachteln, in die meine Schuhe garantiert nicht hinein passen würden, fand vor etwa zehn Jahren bei einer privaten Veranstaltung in Belgien statt. Ein Freund und LS3/5A Kenner hatte seine Lieblingsversion, eine Rogers 11 Ohm aus den späten 80er Jahren, mitgebracht. Zusammen mit einem 22-Watt-Röhrenverstärker und einem D/A-Wandler glaubte ich im Elektrostatenhimmel gelandet zu sein, so sehr verspielten sich die Rogers, ich hörte einfach nur noch Musik. Dabei hatte KEF, als die 11-Ohm-Varianten eingeführt wurden, den B110 Tiefmitteltöner erneut überarbeit und Rogers, die die meisten LS3/5A verkauften, begann langsam ins Straucheln zu geraten. So verkaufte man Gehäuse mit 15 Ohm Aufkleber als 11 Ohm Modelle und umgekehrt. Einer der Gründe, warum übrigens die Chartwell- Versionen, vor allem die Chartwell 1-Modelle so gesucht sind, ist deren strenge Selektion der Treiber, die Rogers zu Beginn ähnlich betrieb. Das war auch der Grund, warum Chartwell damals pleite ging. Es ist also nicht nur der Sammelwahn, es gibt auch handfeste Gründe, sich für bestimmte ältere Modelle zu interessieren, wenn man das Geld dafür ausgeben möchte. Aus meiner Sicht sollte man diese Pretiosen aber den Sammlern überlassen, denn der Zahn der Zeit macht auch vor ihnen nicht halt und es gibt ja schließlich heutzutage hervorragende, frische Alternativen wie die Harwood-Version.
Verantwortlich dafür ist Raimund Saerbeck mit seiner Firma hifisound in Münster, seines Zeichens seit gut 40 Jahren ein Fixpunkt im deutschen Lautsprecheruniversum, vornehmlich im Selbstbaubereich. Der Mann ist schlau, ein Glückspilz und er ist ehrlich. Schlau, weil er sich die Namensrechte von Harwood sicherte. Ein Glückspilz, weil die Familie Harwood das ohne Mucken hin nahm. Und ehrlich, weil er mir schrieb: „Die LS3/5A ist mir schon seit vielen Jahren im Gedächtnis hängen geblieben, waren es doch meine Kunden, die mich in den 80er Jahren auf diesen aussergewöhnlichen Lautsprecher hingewiesen haben. Als wir dann die KEF LS3/5A als reine Selbstbaubox in die Vorführung aufnahmen war ich geschockt, was dieser Lautsprecher für eine Räumlichkeit und Homogenität aufwies.“
Eigentlich hatte er mit dem Thema schon abgeschlossen, doch 2019 kam ihm die Idee „diesen Monitor LS3/5A der BBC Baureihe in unser Harwood Acoustics Programm aufzunehmen, denn schließlich war es H.D. Harwood, der in den 70ern die Grundlagen für diesen Mini Monitor legte“. Harbeth selbst brachte auch seine Version der LS3/5A auf den Markt, später entwickelte er sie unter anderem als P3ESR weiter. Seit den frühen 80er Jahren hatte Saerbeck von Harwood über dessen Firma Harbeth Acoustics die transparenten Polypropylenchassis LF 5 und LF 8 bezogen und damit bis Ende der 90er Jahre eine ganze Reihe von Selbstbaulautsprechern entwickelt. Als dann die Ära der AMT Hochtöner sowie der Kohlefaser-Kevlar- Sandwich Tiefmitteltöner begann, schien die LS3/5A Geschichte zu sein. Doch wie erwähnt wollte Saerbeck nach all der Zeit noch einmal zurück zu den Wurzeln gehen. Ein Grund war auch das zunehmend höher aufgelöste und hyperdynamische Musikmaterial der Digitalära. Er erinnerte sich – sozusagen als Wellnessmaßnahme für die Ohren – an den unaufdringlichen, geradezu wohltuenden Klang der alten Monitore und entwickelte 2019 eben den Plan, eine Neuauflage zu wagen. Für ihn gab es nur einen Weg und zwar den der Originalität und damit der Einhaltung der im Report der BBC Nr. 1976-29 vorgegebenen technischen Details. Das machen nicht alle aktuellen Produzenten so, aber dazu komme ich noch. Die Produktion erfolgt mit chinesischen Partnern, zu denen Saerbeck schon seit vielen Jahren enge Kontakte pflegt und die sich in technischer Umsetzung exakt an seine Vorgaben halten. Teilweise bedient er sich dabei der gleichen Membran- und Sickenlieferanten wie Rogers oder Falcon, was den Preis der Harwood noch attraktiver macht, worauf ich gleich auch noch eingehen werde.
Die Weiche arbeitet, Sie ahnen es, genau nach dem Report Nr. 1976-29 mit Autotrafos und MKT Kondensatoren, teilweise sind die Werte leicht angepasst bzw. verändert. Saerbeck war und ist sowohl über das handwerkliche wie auch das klangliche Ergebnis seiner LS3/5A höchst erfreut und findet, dass die Optimierung des B110 zu einer geringfügigen klanglichen Verbesserung geführt habe. Dazu führen auch feine Details wie die dämmende Filzplatte zwischen dem Magneten des Hochtöners und der Frequenzweichenplatine. Ansonsten finden wir eine LS3/5A vor, wie sie sein muss: 12-mm-Multiplex- Gehäuse, die Wände mit Bitumen bedämpft, zusätzliche Schaumstoffdämmung, umlaufender Holzrahmen, in den die Frontplatte eingeschraubt wird, Filzbedämpfung des T27 Hochtöners zur Vermeidung von Kantenreflexionen sowie sein klassisches Schutzgitter. Wichtig ist der absolut dichte Sitz des B110(A) im geschlossenen Gehäuse. Schaut man sich die Frequenzweiche der LS3/5A an, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln: 24 db im Tiefton und 18 db Flankensteilheit im Hochton, beide nicht typisch beschaltet und dafür Bauteile ohne Ende. Dazu gehört ein Sperrkreis, der dem Resonanzpeak der originalen B110 Tiefmitteltöners bei 1000 Hz geschuldet ist sowie die vielen Abgriffe des Autotrafos zur Anpassung unterschiedlich ausfallender Hochtöner. Die Harwood hat beide Probleme nicht, denn der neue B110A hat keinen Peak mehr und die Hochtönerproduktion ist ebenfalls stabil. Ich muss zugeben, mir sind einfache, unkomplizierte Weichen, die möglichst verlustfrei arbeiten, lieber. Aber ich liebe diesen Lautsprecher und das ist ja das Wunderbare an HiFi: man kann seine Vorurteile pflegen oder mit offenen Ohren Neues entdecken. Saerbecks Harwood LS3/5a kostet in etwa die Hälfte der edlen Konkurrenz, was auch daran liegt, dass er zwar die BBC-Spezifikationen einhält, auf eine kostenträchtige Lizenz jedoch verzichtet. Ich sagte doch, der Mann ist schlau. Einzig die Stirling Broadcast V2, die mit ihren skandinavischen Treibern einen anderen Weg geht, die BBC-Spezifikationen aber trotzdem einhält, ist vergleichbar kalkuliert. Mit der Stirling V1-Version begann meine persönliche LS3/5A Reise, inzwischen habe ich eine originale Rogers 15 Ohm und eine Rogers Classic. Im Moment beschäftigt sich Saerbeck mit seinem Team mit einer weiteren Neuauflage des berühmten Grade I BBC Monitor LS5/9. „Noch‘n Gedicht“ würde Heinz Erhardt dazu sagen. Außerdem sollen beide Modelle im Frühjahr 2023 auch als Selbstbausätze auf den Markt kommen: Zurück zu den Wurzeln kann ich dazu nur sagen.
Ach so, da war noch was. Wie klingen die Harwood Acoustics LS3/5A denn nun? Einfach phänomenal. Das bruchlose und unerreicht weit reichende Abstrahlverhalten des breitbandigen und weit hinauf spielenden Hochtöners und dem irre guten Trickser B110A sorgen in diesem Lautsprecher, richtig aufgestellt, für einen Klang, der viele Neuhörer erstaunen dürfte: unfassbar homogen, erstaunlich kräftig, sonor, leichtfüßig und tiefgründig zugleich und in allen musikalischen Genres zu Hause. Dazu gesellt sich eine schier unendlich anmutende Raumillusion. Natürlich dürfen Sie von einer LS3/5A kein Bass- oder Pegelorgien erwarten. In einem normalen Hörumfeld jedoch dürfte der eine oder andere seine audiophile Überraschung und finale Orientierung erleben.
Fazit
Wer endlich wissen möchte, was es mit dem Mythos LS3/5A auf sich hat, wird keinen besseren und im wahrsten Wortsinn preiswerteren Einstieg finden. Die Harwood Acoustics LS3/5A reihen sich locker in die Ahnengalarie der LS3/5A-Legenden ein und können sie dank verfeinertem Bauteilmix ohne Alterungseffekte hier und da sogar überholen.Kategorie: Lautsprecher Stereo
Produkt: Harwood Acoustics LS3/5A
Preis: um 1798 Euro
Referenzklasse
Harwood Acoustics LS3/5A
Harwood Acoustics LS3/5A
262-2368
hifisound Lautsprechervertrieb |
Klang | 70% | |
Labor | 15% | |
Praxis | 15% |
Kategorie | Kompaktlautsprecher |
Paarpreis (in Euro) | 1.798 Euro |
Telefon: | 0251 58330 |
Internet | www.hifisound.de |
Ausstattung | |
Abmessungen (B x H x T in mm) | 190/305/165 |
Gewicht (in Kg) | 6,3 kg |
Prinzip | 2-Wege geschlossen |
Bestückung | 110-mm-Bextrene-Tiefmitteltöner 19-mm-Mylar-Hochtonkalotte |
Übernahmefrequenz | 3 kHz |
Flankensteilheit | 18 dB |
Frequenzumfang | 80 Hz – 20000 Hz ± 3 dB (1 m mit Abdeckung) |
Empfindlichkeit | 82 dB/W/m |
Nominalimpedanz | 8 Ohm |
+ | Fertigung auf Toppniveau |
+ | fantastisches Rundstrahlverhalten |
+/- | + langzeittauglicher Klang |
Klasse | Referenzklasse |
Preis/Leistung | gut |